Drachenbraut
.»
Valentin umklammerte für ein paar Sekunden das Lenkrad so fest, dass es unter seinem Griff leise knarrte. Es war doch sehr offensichtlich, was das bedeutete. Warum sah der Rat es nicht? Aber sie wussten es nicht, oder vielleicht wollten sie es auch nicht wissen?
«Und was bedeutet ‹Seine mit den heilenden Händen › ?», fuhr Hornet fort.
Valentin ahnte es, aber er konnte es nicht aussprechen. «Wir werden es herausfinden», murmelte er stattdessen.
Der blonde Hüne schwieg einen Moment. Er brummte etwas Unverständliches, aber Valentin machte sich nicht die Mühe nachzufragen. Er verabschiedete sich knapp und schmiss das Smartphone erneut auf den Beifahrersitz. Oskar setzte sich im Fußraum des Wagens abrupt auf und sah ihn an.
Valentin erwiderte seinen Blick. «Ich kann es ihnen nicht sagen.»
Oskar gab einen leisen Laut von sich und rollte sich dann umständlich wieder auf seiner Decke auf dem Boden zusammen.
Er war doch selbst auf der Jagd nach einem Strohhalm.
Erneut klingelte sein Handy. Valentin reduzierte die Geschwindigkeit etwas, da die Straße zunehmend voller wurde, und nahm das Gespräch entgegen.
«Ayikos ist tot!»
Duponts Stimme hatte bei diesen überraschenden Worten einen fast herrischen Unterton. Verwundert darüber drosselte Valentin erneut das Tempo und reihte sich in den dichten Verkehr auf der rechten Spur ein. Er hatte das Gefühl, dass dieses Gespräch seine volle Aufmerksamkeit erforderte. Ein weiteres totes Ratsmitglied war sehr schlecht …
«Wie?», fragte er knapp.
«Wir sind vor wenigen Minuten von einem Mitglied der magischen Gemeinde, das bei den örtlichen Behörden arbeitet, informiert worden. Ein tragischer Autounfall. Er ist frontal gegen einen Baum gerast.»
«Wo ist das Wrack und die Leiche?»
«Clemens kümmert sich auch darum. Wir werden diese Tragödie so gut es geht vor den Behörden verschleiern. Aber es scheint sich tatsächlich um einen Unfall gehandelt zu haben.»
Bei diesem Satz schlugen Valentins Instinkte an. Er spürte sehr deutlich, dass hier etwas nicht stimmte. Auch wenn er noch nicht sagen konnte, was. Irgendetwas an Duponts Verhalten erschien ihm sonderbar.
«Sire, bei allem Respekt, Sie müssen hierher zurückkehren. Wir brauchen Ihre Macht hier.»
Schlecht versteckter Missmut schwang in diesen Worten mit.
«Hornet arbeitet zusammen mit Caroline am Schutz für den Rat.»
«Wohin fahrt Ihr?»
Die Frage schien förmlich aus dem Ratsvorsitzenden herauszuplatzen und passte bei Weitem nicht mehr zu dem respektvollen Umgangston, den er Valentin üblicherweise entgegenbrachte.
Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, seinen Worten einen gehörigen Schuss Dominanz mitzugeben. «Reißen Sie sich zusammen, Dupont!»
Der Mann am anderen Ende der Leitung schnappte nach Luft.
«Tun Sie, was getan werden muss, und überdenken Sie Ihren Tonfall!»
Seine Stimme war schneidend und ohne ein weiteres Wort drückte er das Gespräch weg. Der Rat musste für den Moment ohne ihn auskommen. Er hatte ein anderes Ziel. Und dieses Ziel könnte in der Entscheidung um Leben und Tod der maßgebliche Faktor zu sein.
Das waren die Fakten.
Was jedoch in seinem Innersten passierte, stand auf einem anderen Blatt. Seine hermetisch abgeriegelte Seele schien in Aufruhr und in seinem Herzen brannte nach wie vor das Bedürfnis, die ihm nahezu unbekannte Frau zu schützen. Und das mit einer Intensität, die ihm völlig unerklärbar schien. Dr. Josefine Rosenberg brauchte ihn. Das war kein Gefühl, das war eine Gewissheit.
Im nächsten Moment leuchteten die Bremsleuchten der Fahrzeuge vor ihm auf und wenige Minuten später kam er endgültig zum Stehen. Er warf der Navigation einen wütenden Blick zu, entdeckte dann aber, dass er sie lautlos gestellt hatte. Sie hatte ihn also nicht rechtzeitig warnen können. Fluchend blickte er auf die sieben Kilometer Stau, die sich im kleinen Display abzeichneten. Er versetzte dem Lenkrad einen Hieb mit dem Handballen und starrte in die langsam verblassende Nacht. Bis zu seinem Ziel waren es noch knapp vierunddreißig Kilometer. Und er hatte keine Zeit. Rücksichtslos zog er den Wagen nach rechts auf die Standspur und gab Gas.
Die nächste Ausfahrt mündete in einer verlassenen, kurvigen Landstraße. Als rote Linie schlängelte sich die neu berechnete Route auf dem Display der Navigation durch das ländliche Hamburger Vorland. Die Kilometerzahl hatte sich auf fünfundsechzig erhöht und er würde die verlorene Zeit mit
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