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Drachenbraut

Drachenbraut

Titel: Drachenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Günak
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Josefine ließ den Blick über die versammelte Gruppe schweifen. Da gerade die Nachtschicht zu Ende ging und die Dienstübergabe lief, befanden sich bestimmt zwölf Kollegen und Kolleginnen im Raum. Sie war mehr als gerührt. In ihrem bisherigen Leben war sie immer rast- und ruhelos gewesen, war wie getrieben von einem Ort zum nächsten gezogen. Das war für zwischenmenschliche Bindungen nicht gerade förderlich. Ausgerechnet hier spürte sie das erste Mal ein Gefühl der Zugehörigkeit. Sie fühlte sich ihren Kollegen verbunden.
    Schnell wischte sie sich über die Augen und nahm die Torte in Empfang. Die Kollegen drückten sie und sogar Schwester Natascha presste sie einmal fest an ihr sonst so steinhartes Herz.
    Während die anderen Kollegen sich wieder an die Arbeit machten und der Raum sich schnell leerte, trat Alexander zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schulter.
    «Warum hast du gleich aufgelegt? Ich wollte doch nur wissen, wann wir die Kerzen anzünden müssen.»
    Er grinste sie breit an und Josefine schnaubte einmal. «Weil ich sofort in den Notfall-Modus gesprungen bin, du Schlaumeier. Ich dachte, hier brennt die Luft.»
    «So, so. Zum Glück konnten wir Schwester Natascha motivieren, dich aufzuhalten. Hat sie gut gemacht, was?»
    Sein Grinsen wurde noch breiter und das verlieh ihm, zusammen mit den raspelkurzen braunen Haaren, ein freundliches Monchichi-Gesicht.
    «Schwester Natascha hat sogar gelächelt», raunte Josefine und tunkte vorsichtig einen Finger in die Sahne. War ja schließlich ihre Torte.
    «Das war vermutlich … eher verstörend, richtig?»
    Da Josefine gerade den Finger in den Mund gesteckt hatte, nickte sie erstmal nur.
    «Unfassbar verstörend.»
    Sie grinste ihn ebenfalls an. Der Raum war mittlerweile leer bis auf Alexander, sie und die Torte.
    «Danke, Alex. Ich hätte meinen Geburtstag glatt vergessen.»
    Sie drückte ihm fest die Hand und stellte die Torte auf den kleinen Tisch mit den Kaffeekannen. Nur sie wusste, dass dieser Tag nicht ihr wirklicher Geburtstag war. Es war der Tag, an dem sie vor dreißig Jahren nach Deutschland gebracht worden war. Das Datum, das dann einfachheitshalber in ihre nachträglich ausgestellte Geburtsurkunde eingetragen worden war. In Deutschland brauchte man ein Geburtsdatum, egal, wo es herkam und wie es dazu gekommen war.
    «Das dachte ich mir. Geburtstage spielen keine allzu große Rolle in deinem Leben. Was hast du heute noch vor?»
    «Arbeiten? Arbeiten. Und dann schlafen. Und dann wieder arbeiten. Das Übliche halt.»
    Josefine spürte seinen tadelnden Blick im Nacken, während sie der Torte mit einem scharfen Küchenmesser zu Leibe rückte. Sie hatte kein Privatleben, weil ein Privatleben viel zu kompliziert war und es nach dem Unfalltod ihrer Adoptiveltern auch niemanden mehr gab, mit dem sie diesen Tag hätte feiern können.
    Alexander störte diese Tatsache, seit sie sich kannten. Er war der Meinung, ein Privatleben sei zwingend notwendig für den Erhalt der psychischen Gesundheit, wie er sich ausdrückte. Aber er war ja auch nicht wie sie.
    «Du solltest feiern gehen.»
    Er tätschelte ihr noch einmal den Rücken, bevor auch er den Raum verließ. Josefine ließ dies unkommentiert, packte sich ein Stück Torte auf den Teller und setzte sich auf einen der höllisch unbequemen Stühle. Mit genussvoll geschlossenen Augen schaufelte sie die fette Sahne und den weichen Biskuit-Teig in den Mund und labte sich an dem Gefühl, irgendwo doch dazuzugehören.
    Denn sonst würde man doch nicht solch eine Torte zum Geburtstag bekommen, oder?

Kapitel 9
    Er jagte den Aston Martin mit völlig überhöhter Geschwindigkeit über die linke Spur der Autobahn. Die Adresse der Hamburger Klinik, in der Dr. Josefine Rosenberg arbeitete, hatte er aus den Unterlagen des Rates. Die Navigation sagte ihm eine geplante Ankunftszeit von acht Uhr voraus, was sich mit seinem untrüglichen Instinkt für Entfernungen ziemlich genau deckte. Allerdings stand dieser Instinkt nicht mit den aktuellen Verkehrsmeldungen in Kontakt und so warf Valentin der kleinen Karte auf dem Display regelmäßig einen prüfenden Blick zu. Solang es ging, würde er das Gaspedal voll durchtreten und den 450 PS freien Lauf lassen.
    Der Drang zu Dr. Josefine Rosenberg zu gelangen war auf so sonderbare Art mächtig, dass sogar sein ständiger Begleiter tief in ihm in angespannter Stille abzuwarten schien. Dafür spie sein Gehirn am laufenden Band Gedanken aus, deren Tragweite er für den Moment fast

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