Drachenbraut
Geschwindigkeit wieder gutmachen müssen. Konzentriert trat er das Gaspedal voll durch und die 450 PS reagierten sauber und souverän auf die Beschleunigung.
Oskar winselte leise auf, als er eine viel zu enge Kurve mit weit über 160 Stundenkilometer nahm. Für einen kurzen Moment warf er seinem Hund einen Blick zu und so spürte er die wabernde Magie, die den Aston Martin plötzlich umgab, fast zu spät.
Im selben Moment fing der Motor an zu stottern. Valentin trat augenblicklich mit voller Wucht auf die Bremse, konnte aber nicht verhindern, dass der schwere Wagen ins Schlingern kam. Er lenkte gegen und spürte wie das ABS stotternd griff. Dann quittierte die Bremse schlagartig ihren Dienst.
Den Bruchteil einer Sekunde verspürte er Dankbarkeit, dass die Straße so leer war, als er endgültig die Kontrolle über die 1800 Kilo Stahl verlor. Er wurde in den Gurt geschleudert und rammte schmerzhaft mit dem Kopf gegen den Türholm.
Verdammt, er konnte nicht jetzt und hier sterben!
Mit einem lauten Quietschen griffen die Bremsen plötzlich wieder, aber der Wagen krachte mit einem schaurigen Kreischen in die rechte Leitplanke. Dort brachte er den Aston Martin endgültig zum Stehen. Er atmete einmal tief durch, dann beugte er sich zum Fußraum hinunter.
«Oskar? Alles okay?»
Zwei braune Augen starrten ihn angsterfüllt an.
«Alles ist gut, Kleiner.»
Beruhigend berührte er das zitternde Bündel am Kopf. Die Magie, die seine Bremsen auf dem Gewissen hatte, war verschwunden. Er stellte den Motor aus. Die Straße lag im sanften Schein des Morgens vor ihm. Er schickte seine Wahrnehmung auf Reisen, aber außer ihm und Oskar war kein Lebewesen in Reichweite.
Vorsichtig öffnete er die Fahrertür. Der Geruch von verbranntem Gummi überlagerte augenblicklich alle anderen Wahrnehmungen. Er stieg aus, aufs Äußerste gespannt.
In der Bewegung aus dem Wagen heraus tropfte ihm etwas hinten in den Hemdausschnitt. Er machte schnell einen Schritt beiseite und griff sich an den Nacken. Seine Finger glänzten feucht, als er sie ansah. Auch das Dach des Wagens schimmerte im matten Licht des Morgens vor Feuchtigkeit. Er bewegte einmal ruckartig den Kopf, um das unangenehme Gefühl im Kragen zu beseitigen.
Fragend blickte er zum Himmel, aber der hatte nicht plötzlich eine Regenwolke über den Wagen geschickt. Auch die Straße war trocken. Einzig und allein sein Autodach war so nass, dass es an den Seiten herablief.
Unwirsch schüttelte er den Kopf und ging um den Aston Martin herum, um einen kurzen Blick auf den Schaden zu werfen. Tiefe Furchen zogen sich über die gesamte Längsseite des Sportwagens. Resigniert schüttelte er den Kopf und setzte sich wieder hinter das Lenkrad. Es war lange her, dass jemand es gewagt hatte, Magie auf ihn anzusetzen. Was auch daran lag, dass er unter normalen Umständen problemlos in der Lage war, solche Attacken frühzeitig abzuwenden. Aber vermutlich waren das hier für seine Seele alles andere als normale Umstände.
Ohne Murren nahm der Motor seinen Dienst wieder auf. Valentins Instinkte blieben wachsam, aber er spürte nichts mehr, außer seinem eigenen Herzschlag, der sich aus irgendeinem Grund nicht mehr beruhigen wollte.
Kapitel 10
Valentin parkte seinen demolierten Wagen auf dem hinteren Parkplatz der Klinik und blieb für einen Moment regungslos und mit geschlossenen Augen sitzen.
Er fühlte sich zerschlagen, der Selbstheilungsprozess, um den klaffenden Riss an der Schläfe zu schließen, kostete ihn Energie. Dennoch waren seine Sinne geschärft und liefen auf Hochtouren. Um diese Klinik waberte der übliche Nebel aus Krankheit, Tod und menschlichen Emotionen. Ganz entfernt, tief in seinem Innersten blitzte immer wieder eine kleine Seelensignatur der Ärztin auf. Sie war ganz in seiner Nähe, direkt vor ihm im linken Flügel des großen Backsteingebäudes.
Hatte er ursprünglich vorgehabt, Dr. Josefine Rosenberg kommentarlos und notfalls auch gewaltsam mit sich zu nehmen, beschloss er jetzt, abzuwarten. Es gab keine Anzeichen von Magie oder einer anderen Form von akuter Bedrohung. Nur zu deutlich stand ihm noch vor Augen, dass er bei ihr nicht auf seine übliche Manipulation zurückgreifen konnte. Es würde bei einem Schnellschuss darauf hinauslaufen, dass er die Ärztin unter heftiger Gegenwehr ins Auto zerren musste. Nichts, was er an einem öffentlichen Ort mit vielen unbeteiligten Menschen gebrauchen konnte. Vorerst würde er sich damit begnügen, die Klinik im Auge zu
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