Drachenbraut
eine Ärztin nicht ein gewisses Maß an Ordnungssinn haben?
«Außerdem muss ich ja irgendwie ein wenig mehr über Sie erfahren. Und wenn ich das weiß, werden Sie mir erzählen, was es mit dieser Verbindung auf sich hat.»
«Knie.»
Er musste seinen Kopf davon abhalten, sich ihr wieder zuzuwenden. Sie zog ihn an wie das Licht die Motte. Ob er es nun wollte oder nicht.
«Ihre Schwachstelle? Sollte ich ja kennen.»
Auffordernd nickte sie ihm zu.
Er zuckte die Achseln. «Ich bin schon ein etwas älteres Semester. Wie es meinem Drachen geht, weiß ich nicht. Vermutlich besser.»
Ohne den Drachen alterte er, wenn auch sehr langsam. Wunden heilten immer noch schneller als bei Menschen, aber ohne den Wandel blieben Narben.
«Okay, dann weiter zu dieser ominösen Verbindung.»
Sie ließ sich ihm gegenüber auf die Fliesen plumpsen und schmiss das blutige Handtuch in die Ecke unter das Waschbecken.
Er kämpfte kurz mit sich, konnte aber nicht anders. Langsam beugte er sich nach vorne, um das Handtuch wenigstens in die Badwanne zu legen. Auch kein guter Aufbewahrungsort, aber allemal besser als zerknüllt in der Ecke.
Er legte die Unterarme auf die Knie und ignorierte ihre amüsiert nach oben gezogenen Augenbrauen. Er musste sich freimachen von der Macht, die sie offensichtlich auf sein Gefühlsleben hatte. Es ging hier um so viel. Sie konnte noch nicht einmal ansatzweise erahnen, um wie viel. Sie war einfach zu jung.
Er schloss für einen Moment die Augen und versuchte sich zu sammeln. «Ich sehne mich nach dem Fliegen. So unfassbar, dass es wehtut. Seit Jahrhunderten.»
Oha, das hatte er gar nicht so sagen wollen. So viel hat er in den vergangenen Jahren nicht von sich Preis gegeben. Dennoch sprach er weiter.
«Die Verbindung eines Drachen und seiner Vesna erfolgt durch ein Ritual, das im Schutz des Rudels von den Ältesten abgehalten wurde. Ich habe das Ritual jedes Mal besiegelt. Insofern kenne ich es gut. Es gibt körperliche Nähe und manchmal auch eine sexuelle Verbindung. Die muss aber nicht sein.»
Sie sah ihn an, und er konnte es förmlich hinter ihrer Stirn rattern sehen.
«Jetzt der Teil mit bis zum Tod», murmelte sie.
Ihre sonst so facettenreiche Mimik wirkte erstarrt, was nicht weiter verwunderlich war. Immerhin würde er ihr gleich erklären, dass sie ihn bis ans Ende ihrer Tage nicht mehr loswerden würde.
«Die Verbindung hält bis zum Tod. Ihrem Tod. Eine Vesna, die durch das Ritual an einen Drachen gebunden ist, altert langsamer als ein Mensch. Aber auch sie stirbt irgendwann.»
Sie machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand, offensichtlich hatte sie nicht auf das ewige Leben spekuliert. «Was heißt das genau? Müssen wir dann auf ewig zusammenbleiben? Kann ich nie heiraten, Kinder bekommen und das alles? Weil ich mit Ihnen verbunden bin?»
Sie hatte sich bei diesen Worten nach vorne gelehnt. Er erkannte deutlich, welche Angst sie vor seiner Antwort hatte.
«Ich weiß es nicht. Weil es sonst immer ein Rudel gab. Jetzt sind wir die beiden Letzten. Ich habe keine Ahnung, wie sich das auswirkt.»
Das war die Wahrheit. Er beobachtete ihr Gesicht bei diesen Worten, wie sie in offenbar höchster Ungeduld die Stirn runzelte.
«Mann, wie hat es sich denn früher ausgewirkt?»
Ihre Stimme war nachdrücklich. Vermutlich hätte sie ihm die Worte am liebsten persönlich aus dem Mund gezerrt.
«Es gab nicht bei jedem Paar eine Ausschließlichkeit. Bei manchen war es … na ja, Liebe. Bei anderen nur Zweckmäßigkeit. Aber ich weiß nicht, wie es jetzt sein wird. Letzteres vermutlich.»
Er wusste tatsächlich nicht, was passieren würde. All dies entzog sich seiner Kontrolle. Genauso wie es sich seiner Kontrolle entzog, dass er Josefine, wie sie dort mit finsterer Miene auf dem Boden kauerte, so attraktiv fand, dass es ihn schon beinahe schmerzte.
«Aber ich habe keine andere Wahl, richtig?» Das Ganze war mehr eine Feststellung als eine Frage. «Wie geht es jetzt weiter?»
Ihre grünen Augen wirkten plötzlich wieder müde, wie vorhin im Sessel, und sie zog die Knie vor die Brust, als würde sie frösteln. Allerdings waren das die einzigen äußerlichen Anzeichen dieser Informationsflut, mit der er sie gerade konfrontiert hatte. Ansonsten wirkte sie ruhig und überlegt. Müde zwar, aber es war ja auch mitten in der Nacht. Selbst er spürte die Erschöpfung nach sich greifen.
«Wir fahren an einen Ort, wo wir das Ritual durchführen können. Allerdings benötigen wir den Schutz der
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