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Drachenbraut

Drachenbraut

Titel: Drachenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Günak
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zum Sessel und setzte sich. Er hob die Hände vor das Gesicht und schloss die Augen, um etwas Ordnung in sein chaotisches Inneres zu bringen.
    Er war erschöpft. Selbst für ihn legitim. Verwirrt. Auch okay, solange er es für sich behielt. Aber da war noch etwas. Etwas fast nicht Greifbares. Etwas, was sein kaltes Herz wärmte. Was auch immer es war, er hatte jetzt keine Zeit, sich damit zu befassen.
    Er lehnte sich in den Sessel zurück, schloss die Augen und befahl sich einzuschlafen, als ein jäher Schmerz durch seine Schläfen zuckte. Mit einem leisen Aufstöhnen presste er die Hände gegen die Stirn. Für einen Moment umgab seine Wahrnehmung der altbekannte Nebel, der üblicherweise einem Anfall vorausging. Lauernd beobachtete er das Innere seines Kopfes, aber es kam keine weitere Schmerzattacke. Vorsichtig schloss er die Augen und lauschte Josefines sanften Atemzügen.

Kapitel 16
    Josefine brauchte einige Minuten, um bedächtig dem Zustand des Erwachens entgegenzudämmern. Ganz entfernt klingelte etwas, dann verstummte der Ton abrupt, um nur wenige Sekunden später wieder einzusetzen.
    Schlagartig brach die Erinnerung der vergangenen Nacht über sie herein. Mit einem Ruck setzte sie sich im Bett auf. In der nächsten Sekunde wurde ihr bewusst, dass es Valentins Handy war, das immer weiterklingelte. Sie rutschte aus dem Bett und tastete sich durch das halbdunkle Zimmer, bis zu dem Sessel vor, auf dem Valentin sich wenige Stunden zuvor niedergelassen hatte.
    «Valentin?» Sie ertastete seine Kontur und rüttelte vorsichtig an seiner Schulter. «Dein Handy klingelt.»
    Warum wurde er nicht wach? Sie drückte seinen Oberarm so fest sie konnte. Selbst durch den Stoff des Shirts spürte sie eine Eiseskälte, die ihn umgab. Oskar tauchte neben ihr auf und stupste ihr leise winselnd gegen die Knie.
    «Valentin!»
    Jäh setzte er sich auf. Er schüttelte benommen den Kopf und blinzelte sie an.
    «Dein Handy …», begann sie erneut, da hatte er das Gespräch schon entgegengenommen, die Stimme rau vom Schlaf.
    Am anderen Ende der Leitung hörte sie nur ein tiefes Murmeln. Valentin rieb sich mit einer Hand über das Gesicht, während er zuhörte.
    «Beordere den gesamten Rat ein. Wir treffen uns in meinen Wochenendhaus. Und das so schnell wie irgend möglich.»
    Er drückte das Gespräch weg und saß für ein paar Sekunden regungslos vor ihr. Dann blickte er auf.
    «Sie haben den Riss geortet. Laut der genauen Koordinaten befindet er sich über dem Taunus. Ich habe in der Nähe ein Haus, wir werden uns alle dort treffen, um das Ritual für das Schließen des Risses vorzubereiten.»
    «Was ist mit dir?»
    Sein Zustand schien ihr in diesem Moment wesentlich dringlicher als dieser Riss. Sie setzte sich auf den kleinen Tisch vor dem Sessel und knipste die Leselampe an. Er war blass. Die Erschöpfung stand ihm deutlich in das attraktive Gesicht geschrieben.
    «Sind wir zum ‹ du › übergegangen?», fragte er stattdessen zurück.
    Sie schnaubte. Fragen zu seinem Wohlergehen schien Valentin grundsätzlich nicht zu beantworten.
    «Wir wollen doch die Welt retten. Da würde ich meinen Teampartner gerne beim Vornamen nennen.»
    Der Sarkasmus in ihrer Stimme war ihm wohl nicht entgangen, denn er beugte sich leicht nach vorn, eine vermutlich bissige Erwiderung schon auf den Lippen, als er zusammenzuckte und scharf ausatmete.
    Oh nein, das war nicht gut. «Dir geht es beschissen», stellte sie fest und streckte die Hand aus, um ihn erneut am Arm zu berühren, doch er wich zurück.
    «Wir müssen fahren», murmelte er und stand auf.
    Sie beobachtete ihn, wie er im Badezimmer verschwand, und es entging ihr nicht, dass er unsicher auf den Beinen war.
    Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, brummte sie unwillig: «Dann eben nicht.»
    Aber es war nicht so einfach, seine schlechte Verfassung abzutun. In ihr saß von einem Moment auf den anderen eine tiefe, nagende Sorge. Sie war Ärztin, sie kannte dieses Gefühl nur zu gut, das sie dazu brachte, auch nachts um drei noch einmal in der Klinik anzurufen, um sich nach der Entwicklung eines kritischen Patienten zu erkundigen.
    Doch diese Sorge war tiefer, brennender. Sie schien näher bei ihr zu sein. Dabei kannte sie ihn doch kaum, und er schien ganz offensichtlich ausgesprochen gut in der Lage zu sein, selber auf sich aufzupassen.
    Rasch, um diesem kreisenden Gedanken zu entkommen, machte sie sich daran, ihre Handtasche zu suchen, und fand sie auf dem kleinen Tisch beim Fernseher.

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