Drachenbraut
riss sie sich zusammen. Alles zu seiner Zeit. Eines nach dem anderen. Jetzt galt es erstmal, die Basics zu verstehen.
«Wie kommt es, dass man in der magischen Welt so wenig darüber weiß?»
Sonderbarerweise hatte ihre innere Unruhe sich ganz plötzlich in Luft aufgelöst und somit Platz geschaffen für eine tiefe Erschöpfung.
«Es ist lange her und ein schauerliches Beispiel dafür, was mit ganzen Völkern, selbst mit mächtigen Völkern, passieren kann. Es gibt Legenden darüber. Spekulationen, Vermutungen, Annahmen. Aber niemand weiß, wie es zu unserer vollständigen Auslöschung kommen konnte. Vielleicht verdrängte man es deshalb lieber. Schlussendlich war außer mir keiner mehr da, der darüber hätte berichten können. Ich habe mich tunlichst zurückgehalten.»
Seine dunkle Stimme hatte eine fast hypnotische Wirkung auf sie. Sie fühlte sich auf sonderbare Weise wohl. Sehr unpassend, in Anbetracht der Situation. Denn wenn das alles stimmte, hatte auch ihr Leben, ihre Herkunft etwas mit dem zu tun, was er ihr da erzählte. Sie versuchte, sich erstmal nur darauf zu konzentrieren. Alles andere musste warten. Sie fühlte sich im Moment einfach noch nicht in der Lage, sich mit Drachen und dem drohenden Weltuntergang zu befassen.
«Ein Alpha braucht sein Rudel», murmelte sie.
Das war eine der sehr wenigen Informationen, die sie über die Welt der Wandler hatte. Er schwieg und nach einer Weile sah sie auf. Er wirkte jetzt ebenso erschöpft wie sie selbst und seine flammend grüngelben Augen waren zu einem weniger aufdringlichen Moosgrün verblasst.
«Ich ziehe diese Rudelenergie aus allen magischen Wesen dieses Planeten. Um den Job des Ober-Alphas habe ich mich nicht freiwillig beworben. Der Rat spürte mich vor über fünfhundert Jahren auf und bat mich um Beistand. Ich stehe aufgrund meiner Herkunft und meiner Macht außerhalb der Strukturen des Rates. Aber ich brauchte ihn, um zu überleben.»
Seine Züge waren hart bei diesen Worten. Aber sie spürte, wie schwer es für ihn war, darüber zu sprechen. Er hob den Blick und für eine Sekunde konnte sie hinter der unnahbaren Fassade den Schmerz brennen sehen. Er schwieg und für einige Herzschläge hörte sie nur seine Atemzüge. Er rang mit sich. Kämpfte darum, weitersprechen zu können.
«Ich war ihr König.»
Seine Stimme war kaum zu vernehmen. In ihrer Brust glomm ein kleiner Funken eines tiefen Schmerzes auf. War es sein Schmerz?
Sein Blick kehrte zu ihr zurück. «Allerdings ein erbärmlicher König, was die Tatsache, der Letzte seiner Art zu sein, eindrücklich beweist.»
«Wer hat euch das angetan?»
Ihre Stimme zitterte bei diesen Worten. Halt suchend umfasste sie die Armlehnen des Sessels. Sie fühlte sich, als sei sie plötzlich in eine andere Welt gerissen worden.
«Es spielt keine Rolle. Sie sind tot.»
Er blinzelte und blickte an ihr vorbei gegen die Wand. Aber offensichtlich hatte er beschlossen, sich den Höllenqualen der Erinnerung zu stellen, denn er sprach unerwartet weiter.
«Ein Drache ist im Vollbesitz seiner Kraft nicht zu überwältigen. Aber ein trauernder Drache ist verloren. Sie töteten das, was wir liebten. Hinterrücks und bestialisch wurden innerhalb einer Nacht alle Angehörigen der Vesna hingemetzelt. Sie waren Menschen und somit leichte Beute. Ich überlebte das Massaker, weil ein Alter meines Stammes mich fortschaffte, weg von dem tobenden Wahnsinn und dem blutgetränkten Boden meiner Heimat.»
In diesem Moment war er nicht der mächtige Alpha. In diesem Moment war er jemand, der alles verloren hatte. Der einen tiefen Schmerz erneut durchlitt. Er rieb sich über das Gesicht. Vielleicht um wieder zurück in die Realität zu kommen.
«Das alles ist vorbei.»
Seine Stimme hatte das gewohnte tiefe Timbre zurückgewonnen. Sie spürte, was er tat. Er ging wieder hinter der Maske der völligen Unnahbarkeit in Deckung.
«Die Dunkelalben bestehen nur aus Energie. Sie sind körperlos. Sie brauchen deshalb einen Wirt, durch den sie agieren. Der Drache kann sie dennoch töten, weil er, wie jeder Wandler, ebenfalls den Zustand der Körperlosigkeit kennt. Während jeder Wandlung durchlaufen wir eine Phase der Nichtexistenz. Aber ein Löwe oder Wolf kann ihnen nichts anhaben. Nur wir konnten das. Weil wir die mächtigsten magischen Wesen der Welt waren.
Sie rekrutierten bei ihrem letzten Auftauchen in dieser Welt magische Wesen und benutzten sie, um schlimmste Dinge zu tun. Sie selbst können noch nicht hierher kommen,
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