Drachenei
mit einer Warnung senden.«
» Das hatten wir auch geplant, aber es beunruhigt uns, dass so viel Zeit vergehen wird«, meinte die Spezialistin. » Es wird eine Woche dauern, bis der Drachentöter seine Umlaufbahn verlässt und Amalita und die übrigen Crew-Mitglieder zurück zu ihrem Mutterschiff St. George bringt. In dieser Woche könnte das Krebsgeschwür wachsen und Samen ausstreuen, die ihren ganzen Körper verseuchen. Doch wir haben eine andere Idee, die wir dir vortragen möchten.«
Klardenker glitt von dem Bild hinab. » Und was schlagt ihr vor?«
» Ja, also – es widerspricht allen ethischen Begriffen der Menschen wie der Cheela. Alle Spezialisten für menschliche Physiologie haben mindestens zwei Umdrehungen lang untereinander und mit den vielen Experten für Psychologie, Medizin und Recht der Menschen, die sich auf dem Ei befinden, hin und her diskutiert. Wir sind zu einem – wenn auch alles andere als einstimmig erzielten – Beschluss gekommen und möchten ihn dir zur Billigung vorlegen.«
Klardenker wartete geduldig. Umständlich fuhr die Spezialistin fort:
» Der Beschluss lautet: In Anbetracht der Bösartigkeit dieses Gewächses und der Zeit, die es erforderte, Amalita zu einem menschlichen Arzt zu schaffen, sollten wir das Krebsgeschwür jetzt behandeln, obwohl uns keine Zeit bleibt, zuerst ihre Erlaubnis einzuholen.«
Endlich war es heraus, und Klardenker konnte verstehen, warum die Spezialistin so lange gebraucht hatte, bis sie zur Sache kam. Sie hatte recht. Bis die langsam denkende Amalita über ihr Problem informiert gewesen wäre und ihre Entscheidung getroffen haben würde, ob sie einer Behandlung durch die Cheela zustimmen sollte oder nicht, musste die Expedition zum Ei zurückkehren. Er war sich auch klar darüber, dass die Spezialisten ihre Empfehlung gar nicht erst ausgesprochen hätten, wären sie nicht überzeugt gewesen, dass das Krebsgeschwür gefährlich war und Amalita eine sofortige Behandlung brauchte.
» Führt die Behandlung durch«, sagte Klardenker sofort. » Was braucht ihr dazu?«
» Wir müssen bei einem der Röntgenstrahlscheinwerfer Frequenz und Energieabgabe erhöhen«, antwortete die Spezialistin. » Dabei wird er schnell ausbrennen und dann nicht mehr zu Beleuchtungszwecken zur Verfügung stehen. Aber wenn wir den Strahl genau fokussieren, wird er die Krebszellen töten und der übrigen Brust nur geringen Schaden zufügen.«
» Wir haben sehr viele Scheinwerfer«, sagte Klardenker.
» Sprecht euch mit dem Kamerateam ab, welcher am besten zu entbehren ist.«
Die Spezialistin versammelte ein paar Leute um sich, und bald darauf stieg der Strahl des umgestellten Scheinwerfers zu dem Sichtfenster hoch. Die Krebszellen schrumpften und starben, und die Haut an der Oberfläche der Brust verfärbte sich rosa – als habe sie am Strand zu viel Sonne abbekommen.
Zeit: 22:30:16,3 Mittlere Greenwich-Zeit, Montag, 20 Juni 2050
» Autsch!«, schrie Amalita, als sie vom Fenster zurückprallte. Ihre Hand fuhr an ihre Brust, aber der scharfe Schmerz war verschwunden. » Kam das von der Einwirkung der Schwerkraft, auf die Pierre anspielte?«, dachte sie. Sie drehte sich um und richtete den Blick auf ihn. Ihr Mund bewegte sich in automatischem Zählen weiter: » … Eintausendsieben …«
Zeit: 22:30:17,1 Mittlere Greenwich-Zeit, Montag, 20. Juni 2050
» Es ist Zeit für den Besuch«, verkündete Klardenker bei einer der Planungskonferenzen. » Holt den Gleiter heraus und überprüft die Breiröhre und das Abfallbeseitigungssystem.«
Der Gleiter war ein eigens für den Besuch entworfenes Fahrzeug. Er war nicht viel größer als eine Instrumentenschale und hatte nur rudimentäre Antriebs- und Kontrollsysteme. Eine Standard-Individualschale war viel größer und brauchte ein größeres schwarzes Miniloch, um nicht zu explodieren. Diese Schalen mussten mehr als einen Meter von den Sichtfenstern entfernt bleiben, weil ihre Gravitationsfelder so stark waren. Der Gleiter hatte weniger Masse und konnte näher heran. Zwei Dinge besaß er, die der normalen Schale fehlten: Nahrungsmittel für ein halbes Dutzend Umdrehungen, zum größten Teil in der Form von flüssigem Brei, und einen mit einem Tank verbundenen Rost für die Ausscheidungsprodukte.
Die meisten Mannschaftsmitglieder hatten so viel Anstand, sich anderswo zu beschäftigen, als der Kommandant der Besuchsexpedition sich auf den Gleiter begab. Die sphärische Schale des Gleiters war nur ein wenig größer als sein
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