Drachenei
Das Ei war viel kleiner als normal und sehr blass. » Es fühlte sich auch merkwürdig an, als es gewachsen ist«, erwiderte sie. » Ich hoffe, dass dem Kleinen, das ausschlüpft, nichts fehlen wird.«
» Mach dir keine Sorgen, ich und die anderen Alten werden uns gut darum kümmern«, sagte Lautsprecher. » Vielleicht wird es nach dem Ausschlüpfen wachsen, wenn es mehr Nahrung zu sich nehmen kann.«
Von ihrer Last befreit, verließ Scharfschlitzerin das Eiergehege und kehrte zu ihren Pflichten als Anführerin des Clans zurück. Um das Ei würden sich die Alten hingebungsvoll kümmern. In ein paar Tagen hatte sie die ganze Sache vergessen. Wenn jemand so alt war wie sie und dem Gehege schon ein halbes Dutzend Eier beigesteuert hatte, verwischten sich die Erinnerungen an sie.
Dem blassen Ei wurde viel Aufmerksamkeit gewidmet, denn alle Alten taten für jedes einzelne Ei, das ihnen anvertraut war, ihr Bestes. Lautsprecher achtete besonders darauf, dass das blasse kleine Ei ständig unter dem abgespreizten Hautstück geschützt war, das er als Brutmantel benützte. Niemals vergaß er, den abgeflachten ovalen Sack jeden Tag ein Dutzend Mal und öfter umzudrehen, um dem Kleinen darin die notwendige Bewegung zu verschaffen.
Als der Zeitpunkt, zu dem das Kleine hätte schlüpfen müssen, vorüber war, machte Lautsprecher sich Sorgen, aber kurz darauf konnte er feststellen, dass das Kleine sich zu rühren begann. Erleichtert spürte er eine warme Flüssigkeit unter seinem Mantel auslaufen. Der Eisack war gerissen, und das Kleine arbeitete sich heraus.
Sorgfältig räumte Lautsprecher die anderen Eier von dem gerade schlüpfenden Kleinen weg, hielt es jedoch immer noch unter seinem Brutmantel. Er manövrierte es an den Rand und ließ es herauskommen.
» Rosa Augen!«, rief Lautsprecher verwundert aus. Seine kühlen dunkelroten Augen starrten auf den kleinen blassen Cheela hinab. Das Dutzend rosafarbener Augen, die den weißen Körper umstanden, wedelten zitterig dem kalten dunklen Himmel entgegen.
Lautsprechers verblüfftes Trommeln rief einen anderen Alten herbei, der bei den Kindern gewesen war. Die beiden Alten betrachteten den jüngsten Cheela sorgenvoll. Offensichtlich stimmte etwas nicht mit ihm. Er war sehr klein, er hatte rosa Augen und einen fiebrig heißen blassen Körper.
» Ich habe noch nie ein Junges wie dieses hier gesehen«, meinte der andere Alte.
» Ich auch nicht«, antwortete Lautsprecher. » Aber als ich Anführer der Vereinigten Clans war, berichteten mir meine Ratgeber über ähnliche Fälle. Man nennt sie die von dem Glänzenden Gezeichneten.«
Lautsprecher spreizte ein neues Stück seiner Haut ab und breitete es vorsichtig über dem Kleinen aus. » Kannst du dich eine Weile um die Eier kümmern?«, fragte er den anderen Alten. » Dann bringe ich diesen hier in das Kindergehege und gebe ihm etwas zu essen.« Behutsam stupste er den Kleinen vorwärts und führte ihn aus dem Eiergehege zum Futtertrog des Kindergeheges. Dort half er ihm, ein winziges Stück Schote aufzunehmen. Bald hatte der Kleine selbst gelernt, Nahrung zu finden und in sich hineinzustopfen, ohne dass der Alte noch viel dabei helfen musste.
Lautsprecher sah dem Kleinen beim Essen zu. Er war unbeholfen, aber schließlich waren die meisten eben Geschlüpften unbeholfen, bis sie es ein paar Tage lang geübt hatten. Trotzdem schien es um diesen hier schlimmer bestellt zu sein als um andere. Lautsprecher bildete einen dünnen Fühler und führte ihn dicht an eines der heißen rosa Augen. Das Auge zog sich erst dann in seine Schutzfalte zurück, als der Fühler es schon beinahe berührte.
» Armer Kleiner«, sagte Lautsprecher. » Ich fürchte, deine rosa Augen werden dir keine guten Dienste leisten.« Das erweckte seinen Beschützerinstinkte, und von da an nahm er sich vor allem dieses Kindes an.
Rosa Augen aß und wuchs, blieb aber immer viel kleiner als die anderen Kinder seines Alters. Er hatte Mut und versuchte, bei den rauen Spielen der anderen mitzumachen, aber sein schlechtes Sehvermögen war für ihn ein großer Nachteil. Am liebsten hörte er dem Geschichtenerzähler des Clans zu.
Lautsprecher war der Geschichtenerzähler, denn er hatte viel mehr erlebt als die anderen Alten. Wenn sie sich für die Dauer einer Geschichte still verhalten hatten, stürmten die Kinder lärmend davon, schubsten und balgten sich. Rosa Augen blieb jedoch und stellte Fragen über das Leben außerhalb des Kindergeheges. Er erkundigte sich bei
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