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Drachenei

Drachenei

Titel: Drachenei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert L. Forward
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Berge am Ostpol erhoben gerade eben ihre Spitzen über den Horizont. Es stimmte, der Horizont hatte sich während der letzten drei Umdrehungen kaum verändert.
    » Wie ein Ei?«, fragte sie.
    » Ja«, antwortete der junge Astrologe. » Ein Eisack wird durch den Zug der Schwerkraft oben und unten abgeflacht und dehnt sich in den anderen Richtungen aus. Das Ei, unsere Heimat, scheint auf dieselbe Weise konstruiert zu sein. Nahe dem Ost- und Westpol ist es sehr flach, und man muss einen langen Weg zurücklegen, bis man eine Änderung am Horizont sieht. Auf halbem Wege zwischen dem Ost- und dem Westpol, dort, wo das Paradies des Glänzenden liegt, ist der Horizont im Osten und Westen sehr nahe, aber in der mühsamen Richtung viele Sohlen weit entfernt.«
    Schnell-Töterin war diese elementare Tatsache der Topographie in der Nähe des Paradieses bekannt, aber sie hatte sie niemals mit der Gestalt des Eis in Verbindung gebracht. Jedoch machten weder sie noch der junge Astrologe sich klar, dass Klippenbeobachter von seinen Berechnungen in die Irre geführt worden war. Der Stern war rund, nicht eiförmig. Es waren seine Sohlenstäbe, die verzerrt waren und ihm einen falschen Eindruck vermittelten. Alles auf dem Stern – die Sohlenstäbe, die Drachenkristall-Waffen und sogar die Nuklei in ihren Körpern – wurde von dem Trillion-Gauß-Magnetfeld des Sterns verzerrt, sodass sie entlang den Magnetfeldlinien viele Male länger waren als quer zu ihnen. Davon waren aber auch ihre Augen betroffen, und so konnten sie die Verzerrung nicht wahrnehmen. Für sie sah alles normal aus.
    Schnell-Töterin verwandelte sich wieder in die Truppenkommandantin.
    » Wie viele Sohlen sind es noch zu den Bergen des Ostpols?«, erkundigte sie sich.
    Klippenbeobachter, der sehr stolz auf seine Ausbildung in der neuen Wissenschaft der konzeptuellen Geometrie war, versank sofort in Kalkulationstrance. Zählfühler schossen aus seinem Körper hervor. Die Fühler flatterten und verflochten sich so schnell, dass das Auge kaum folgen konnte. Dann wachte er aus der Trance wieder auf.
    » Zwei Dutzend Standard-Märsche«, verkündete er.
    Schnell-Töterin sah zu den Bergen hin, die hinter dem täuschend nahen Horizont hervorschauten. » Dann sollten wir die Truppe lieber in Bewegung setzen!«
    Ohne sich umzudrehen, brüllte sie: » Achtung!« Die Truppe formierte sich neu und schob sich weiter nach Osten. Der die Disziplin bedrohende Wettkampf war vergessen.
    Klippenbeobachter hatte recht. Es waren tatsächlich rund zwei Dutzend Standard-Märsche bis zu den Ostpol-bergen. Aber da ein Standard-Marsch zwischen zwei Ruhepausen auf diesem Terrain ein Ding der Unmöglichkeit war, brauchten sie tatsächlich viel länger.
    » Es ist, als müsse man andauernd in der mühsamen Richtung einen Berg erklimmen«, murmelte Schnell-Töterin, als sie sich selbst einmal an die Spitze des Keils setzte.
    » Ich weiß«, sagte der Soldat rechts von ihr. » Nur dass man nie oben ankommt.«
    Schnell-Töterin schob sich über eine weitere zackige Unebenheit auf dem Weg. Jedes Krustenfädchen strebte in die bequeme Richtung, und die lag hier himmelwärts. Es sah unglaublich aus – die Fäden schienen über den gewaltigen Schwerkraftzug des Eis zu lachen. Aber wenn man über sie hinwegwandern musste, stellte sich heraus, dass all die Myriaden von Fädchen sehr stark waren. Man brauchte viel Kraft, um sie umzuwerfen und sich über sie hinwegzuschieben. Erschwerend kam hinzu, dass sich die mühsamen Richtungen sofort um einen schlossen, wenn man zu langsam wurde.
    Endlich erreichte die Truppe ohne weiteren Zwischenfall die Vorberge des Ostpolgebirges. In ehrfürchtigem Staunen sah Schnell-Töterin zu den gewaltigen Gipfeln empor, dann weiter zu den Augen des Glänzenden. Sie hingen immer noch hoch über den Bergen am Himmel und trotzten der Schwerkraft des Eis.
    Schnell-Töterin ließ ein Biwak errichten. Zuerst wurden in ziemlicher Entfernung vom Lager Wachen aufgestellt. Dann erlaubte sie den Soldaten, die Waffen abzulegen. Ein paar begaben sich zu einem noch unberührten Teppich aus Krustenstacheln und stampften ein kreisförmiges Gebiet flach. An seine Ränder wurden die Drachenzähne und Kurzschwerter gesteckt, um die ständigen Winde abzuhalten. In der Mitte wurden die Überreste der Schoten und des getrockneten Fleisches niedergelegt. Diejenigen, die das Gewicht während des langen Marsches hatten schleppen müssen, konnten sich wieder frei bewegen. Jagdgesellschaften wurden

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