Drachenelfen
sie als die Bruderschaft.«
Der Drache schwebte hinab und landete auf der
Lichtung, die offenbar schon häufiger diesem Zweck gedient hatte, nach den
von ausladenden Schwingen arg zurechtgestutzten Bäumen zu urteilen, den
Krallenspuren im Koralit und den Kothaufen überall. Hugh stieg ab, streckte
den schmerzenden Rücken und massierte seine Oberschenkel.
»Oder vielleicht sollte ich sagen ›uns‹«, fügte
er hinzu und half Iridal vom Rücken des Drachen herab. »Man kennt ›uns‹ als die
Bruderschaft.«
Sie war im Begriff gewesen, ihm die Hand zu
reichen. Jetzt zögerte sie und sah ihn an. Der Perlmuttschimmer ihrer Augen war
stumpf geworden, verdunkelt vom Schatten der umstehenden Hargastbäume. »Ich verstehe
nicht.«
»Kehrt um, Iridal.« Hugh erwiderte zwingend
ihren Blick. »Kehrt um, auf der Stelle. Das Tier ist müde, aber es bringt Euch
weg von hier, zumindest bis Providenz.«
Der Drache hörte, daß von ihm die Rede war. Er
trat mißmutig von einem Bein aufs andere. Er wollte aus der Pflicht entlassen
werden, sich davonmachen und irgendwo zwischen den Bäumen einen ruhigen Platz
zum Schlafen suchen.
»Erst wollt Ihr mir helfen. Jetzt versucht Ihr,
mich loszuwerden.« Iridal musterte ihn kühl. »Was ist geschehen? Weshalb der
Sinneswandel?«
»Ich sagte, keine Fragen!« grollte Hugh, der
mürrisch über den Rand der Insel in die unermeßliche Weite des Tiefen Himmels
starrte. Er streifte sie mit einem kurzen Blick. »Außer Ihr findet Euch bereit,
ein paar zu beantworten, die mir zur Not in den Sinn kämen.«
Iridal errötete und zog ihre Hand zurück. Ohne
seine Hilfe in Anspruch zu nehmen, kletterte sie nach unten und nutzte die
Gelegenheit, um ihre Fassung wiederzugewinnen. Am Boden angelangt, wandte sie
sich an Hugh.
»Ihr braucht mich. Ihr braucht mich, um Alfred
aufzuspüren. Ich weiß einiges über ihn, ziemlich viel sogar. Wer er ist und
was er ist, und glaubt mir, Ihr werdet ihn niemals ohne meine Unterstützung
finden. Wollt Ihr das riskieren, indem Ihr mich wegschickt?«
Hugh vermied es, sie anzusehen. »Ja«, sagte er
mit gedämpfter Stimme. »Ja, verdammt. Geht!« Seine Hände ballten sich am
Sattelgurt des Drachen zu Fäusten, er lehnte die Stirn dagegen.
»Verflucht sei Trian!« stieß er mit
zusammengebissenen Zähnen hervor. »Verflucht sei Stephen! Verflucht diese Frau
und ihr Kind! Ich hätte meinen Kopf auf den Block legen sollen, als Stephen mir
die Wahl ließ. Ich wußte es. Etwas hat mich gewarnt. Aller Schmerz wäre längst
vergessen, ich könnte schlafen…«
»Was sagt Ihr?«
Er fühlte Iridals Hand zaghaft an seiner
Schulter. Es überlief ihn heiß, er entzog sich hastig der Berührung.
»Ihr müßt großen Kummer haben«, sagte sie teilnahmsvoll.
»Laßt mich ihn tragen helfen.«
Hugh fuhr zu ihr herum. »Geht! Kauft Euch einen
anderen, der Euch hilft. Ich kann Euch Namen von Männern geben, die besser
sind als ich. Was Euch betrifft, ich brauche Euch nicht. Ich kann Alfred
finden. Ich finde jeden Mann…«
»… solange er sich am Boden einer Weinflasche
versteckt«, schleuderte Iridal ihm entgegen.
Hugh packte sie mit hartem Griff an den
Schultern und schüttelte sie. »Seht mich als das, was ich bin – ein bezahlter
Mörder. Meine Hände sind befleckt mit Blut, das ich vergossen habe für Geld.
Als der Preis stimmte, war ich bereit, ein Kind zu töten!«
»Und habt statt dessen Euer Leben geopfert für
das Kind…«
»Eine Farce!« Hugh stieß sie von sich. »Der verdammte
Zauber, mit dem es ihm gelungen ist, sich bei jedem einzuschmeicheln. Oder
vielleicht war es ein Zauber, mit dem Ihr mich manipuliert habt.«
Er kehrte ihr den Rücken zu und zerrte
ungeduldig an den Schnüren seines Bündels.
»Geht«, wiederholte er, ohne sie anzusehen.
»Verliert keine Zeit.«
»Das kommt nicht in Frage«, antwortete Iridal.
»Wir haben eine Abmachung, und man sagt von Euch, Ihr wärt noch nie
vertragsbrüchig geworden.«
Er unterbrach sein Tun, drehte sich um und
starrte sie an. In seinen tiefliegenden Augen schwelte ein düsteres Feuer.
Plötzlich wirkte er kalt und bedrohlich ruhig.
»Ganz recht, Lady Iridal. Ich habe noch nie
einen Kontrakt gebrochen. Denkt daran, wenn die Zeit kommt.« Er nahm das
Bündel, klemmte es unter den Arm und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Drachen.
»Löst den Bann.«
»Aber dann – dann wird er davonfliegen. Wir
können ihn nie wieder einfangen.«
»Exakt. Und
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