Drachenelfen
drüben!« rief eine laute Stimme.
Hugh gehorchte und trat in den Lichtkreis des
Feuers.
Die Soldaten unterbrachen ihre Gespräche und sammelten
sich um ihn.
»Laß mal sehen, was du hast.«
»Gewiß, die hohen Herrschaften«, sagte Hugh mit
einer schwungvollen Verbeugung. »Junge, zeig ihnen unsere Schätze.«
Der Sohn des Händlers trat nach vorn und
präsentierte eine aufgeklappte Lade. Das Gesicht des Kindes war schmutzig und
halb verdeckt von einer übergroßen Kapuze, die ihm weit in die Stirn hing. Die
Soldaten sahen ihn kaum an. Was interessierte sie der Bengel eines fliegenden
Händlers? Ihr Blick hing an den bunten, glitzernden Edelsteinen.
Der Hund setzte sich, gähnte und beäugte hungrig
eine Kette brutzelnder Würste über dem Feuer.
Hugh spielte seine Rolle gut; es war nicht das
erstemal, und bei seinem Geschick, um Preise zu feilschen, hätte er als
wirklicher Händler ein Vermögen gemacht. Während er unaufhörlich redete,
huschte sein Blick durchs Lager, schätzte die Entfernung zum königlichen
Pavillon und suchte den unauffälligsten Weg dorthin.
Hugh besiegte den Handel mit Handschlag, gab den
Käufern ihre Ware und steckte die Baris ein, unter wortreichen Klagen, man
hätte ihn übervorteilt, ruiniert, übers Ohr gehauen.
»Komm weiter, Sohn«, sagte er brummig und legte
eine Hand auf Grams Schulter.
Der Junge klappte die Lade zu und trabte
gehorsam hinter ihm her. Auch der Hund, nach einem letzten, wehmütigen Blick
auf die Würste, folgte ihnen.
Den königlichen Pavillon hatte man in der Mitte
des Lagers errichtet, freistehend auf einem großen Platz. Ein breiter Streifen
Koralit trennte ihn von den Zelten der Garde. Der Pavillon war groß,
quadratisch, mit einem Baldachin an der Vorderseite. An jeder Ecke war eine Wache
postiert, zwei weitere standen – unter dem Befehl eines Sergeanten – am
Eingang. Wie es der Zufall wollte – der Hauptmann war ebenfalls anwesend. Er
unterhielt sich mit dem Sergeanten leise über die Ereignisse des Tages. »Laß
mich sehen. Junge, was wir noch übrig haben«, sagte Hugh laut, für die Ohren
der Umstehenden bestimmt. Er suchte sich eine Stelle, wo der Feuerschein nicht
hinreichte, unmittelbar gegenüber dem Eingang des Pavillons.
Gram öffnete die Lade. Hugh beugte sich über den
funkelnden Inhalt, schob die Stücke hin und her und murmelte dabei vor sich
hin. In Wirklichkeit musterte er Grams Gesicht, ein weißes Oval im Schatten der
Kapuze. Er forschte nach Spuren von Schwäche, Ängstlichkeit, Nervosität.
Doch es war, kam ihm erschüttert zu Bewußtsein,
als blickte er in einen Spiegel.
Die blauen Augen des Jungen waren kalt, hart,
ausdruckslos, obwohl er im Begriff stand, Zeuge des Mordes an zwei Menschen
zu sein, die ihm zehn Jahre lang Mutter und Vater gewesen waren. Sein Blick
begegnete dem Hughs, er lächelte.
»Was tun wir jetzt?« fragte er in aufgeregtem
Flüsterton.
Hugh mußte erst nach Worten suchen. Nur das Federamulett
um den Hals des Jungen hielt ihn davon ab, den Kontrakt zu erfüllen, den er vor
so langer Zeit abgeschlossen hatte. Um Iridals willen würde ihr Sohn am Leben
bleiben.
»Ist der König im Zelt?«
»Anne und Stephen sind beide drinnen. Ich weiß
es genau. Sonst stünde kein Posten da. Die Leibwache geht immer dahin, wo der
König hingeht.«
»Seht Euch die Männer an, die am Eingang
stehen«, befahl Hugh schroff. »Kennt Ihr einen von ihnen?«
Gram betrachtete sie mit gerunzelten Brauen.
»Ja«, sagte er nach einem Moment. »Den einen da kenne ich – den Hauptmann. Ich
glaube, den Sergeanten kenne ich auch.«
»Wird einer von ihnen Euch wiedererkennen?«
»O ja. Beide sind oft im Palast gewesen. Der
Hauptmann hat mir einmal ein Spielzeugschwert gemacht.«
Hugh empfand die ruhige Zuversicht und Gelassenheit,
die ihn manchmal überkamen, wenn er mit absoluter Sicherheit wußte, daß alles
richtig war, daß er das Glück auf seiner Seite hatte, daß einfach nichts mißlingen
konnte, nicht diesmal.
Niemals mehr.
»Gut«, sagte er. »Perfekt. Haltet still.«
Hugh umfaßte das Kinn des Jungen, drehte sein Gesicht
in den Feuerschein und wischte ihm den Schmutz ab, der als Tarnung gedient
hatte. Er ging nicht sanft mit ihm um, dafür war nicht die Zeit. Gram schnitt
Grimassen, beschwerte sich aber nicht. Nach vollbrachter Tat musterte Hugh
prüfend das Kindergesicht – die Wangen gerötet vom Schrubben und der Aufregung,
die goldenen Locken wirr im
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