Drachenelfen
Forscherdrang
gepackt hat, bitte sehr. Ihr werdet natürlich alleine gehen müssen, von meinen
Männern kann ich keinen entbehren, aber…«
»Ich werde veranlassen, daß die Öffnung
verschlossen wird, Sire«, sagte der Elf hastig.
»Es liegt ganz bei Euch. Nun zu etwas anderem –
ich brauche eine Bahre und vier Träger. Unser lieber Freund hier wird mir zu
schwer.«
»Laßt mich behilflich sein, Sire.«
»Legt ihn auf den Boden. Dann könnt Ihr die
Öffnung schließen. Ich…«
Die Stimmen entfernten sich. Limbeck entschloß
sich zu handeln. Er schlich geduckt die Treppe hinauf, oben angekommen, spähte
er vorsichtig über den Rand. Die beiden Offiziere, damit beschäftigt, den halb
bewußtlosen Haplo vom Sockel der Statue zu hieven, standen mit dem Rücken zu
ihm. Die Aufmerksamkeit der beiden Wachposten galt dem verwundeten Menschen –
einem der berüchtigten Mysteriarchen. Auch sie hatten sich abgewendet.
Jetzt oder nie.
Limbeck rückte entschlossen die Brille zurecht,
krabbelte aus der Öffnung und rannte geduckt zu dem Loch im Boden, das zu den
unterirdischen Stollen des Allüberall führte.
Dieser Teil der Halle lag fast im Dunkeln. Die
Posten, eingeschüchtert von der geheimnisvollen, bedrohlich wirkenden Statue,
hielten sich weiter vorn auf, wo es heller war. Limbeck blieb unentdeckt.
In seiner Panik wäre er beinahe in den Schacht
gestürzt. Im letzten Moment ließ er sich fallen, umklammerte die oberste
Leitersprosse und schlug einen ungelenken Purzelbaum über den Rand. Einen
Moment hing er in der Luft und strampelte mit den Beinen nach einem Halt. Es
war ein gutes Stück bis nach unten.
Endlich hatte er festen Stand, löste die
verkrampften Hände von der Sprosse – eine nach der anderen –, drehte sich herum
und schöpfte, eng an die Leiter geschmiegt, erst einmal Atem. Dabei horchte er
auf Hinweise, daß man ihn bemerkt hatte.
»Habt Ihr etwas gehört?« fragte ein Elf.
Limbeck erstarrte.
»Unsinn!« Die Stimme des Leutnants klang forsch.
»Es ist dieses verdammte Loch. Man sieht und hört schon Gespenster. Hauptmann
Sang-drax hat recht. Es muß verschlossen werden, und zwar sofort.«
Es folgte ein scharrendes Geräusch – die Statue
drehte sich auf ihrem Sockel über die Öffnung.
Limbeck kletterte in den Schacht hinunter und
machte sich wild entschlossen, erfüllt von einem kalten Zorn, auf den Rückweg
zu seinem Hauptquartier, um dort die Verwirklichung seines Plans in Angriff zu
nehmen.
Seine Wollfadenspur zum Herzen des Allüberall,
der faszinierende Maschinenmensch dort, die herrliche Vision einer
Verbrüderung von Menschen, Elfen und Zwergen – nichts davon war jetzt mehr
wichtig.
Vielleicht niemals mehr.
Er würde Jarre befreien oder…
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Kapitel 9
Kathedrale d’Albedo,
Aristagon,
Mittelreich
Durchflutet von einem überwältigenden Gefühl der Dankbarkeit,
näherte sich die Weesham 33 der Kathedrale d’Albedo 34 .
Nicht die Schönheit des Sakralbaus beeindruckte sie so tief, obwohl die Kathedrale
zu Recht als das imposanteste aller von den Elfen errichteten Bauwerke auf
Arianus galt. Noch verspürte sie in sonderlichem Maß die Ehrfurcht und
Andacht, die von den meisten Elfen Besitz ergriff, wenn sie sich dem Depositorium
der Seelen der königlichen Familie nahten. Die Weesham war zu verängstigt, um
die Ästhetik zu würdigen, zu verbittert und betrübt für Andacht. Sie war nur
dankbar, weil sie – endlich – einen sicheren Hafen erreicht hatte.
Die kleine Schatulle aus Lapislazuli und Chalzedon
fest in der Hand, eilte sie die Koralitstufen hinauf. Goldgefaßte Kanten
glänzten, warfen einen hellen Schimmer auf ihren Weg. Sie folgte dem
gepflasterten Pfad um das oktagonal angelegte Gebäude herum bis zum
Hauptportal. Beim Gehen warf sie immer wieder einen Blick über die Schulter –
eine Folge von drei Tagen in Angst und Schrecken.
Die Vernunft hätte ihr sagen müssen, daß es
selbst den Unsichtbaren nicht möglich war, sie hierhin zu verfolgen, bis zu
dieser heiligen Freistatt. Aber sie war nicht mehr fähig, klar zu denken. Angst
hatte sie ausgehöhlt; wie im Fieberwahn glaubte sie, Dinge zu sehen, die
nicht da waren; Stimmen zu hören, wo niemand sprach. Sie erbleichte und
zitterte beim Anblick ihres eigenen Schattens und schlug, kaum daß sie davor
stand, mit der geballten Faust gegen die Tür, statt guter Sitte gemäß
ehrerbietig und leise anzuklopfen.
Der Hüter der Pforte, dessen
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