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Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Titel: Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ein Fehler in der Zeichnung? Hatte der Gefangene all dies in vollkommener Dunkelheit in die Wände geritzt? Hatten seine tastenden Finger ihm dabei die Augen ersetzen müssen, oder hatte er das blaue Licht heraufbeschworen?
    »Liuvar.«
    Der Tonfall hatte sich verändert. Es klang weicher. Die blauen Blitze drangen tiefer. Jetzt waren es keine Dornen mehr, die über ihre Haut schrammten. Es fühlte sich an, als würden sich kleine Krallen in ihr Fleisch graben. Lyvianne spürte, wie seine Macht wuchs und Bidayn sie immer weniger gegen ihn abschirmen konnte.
    Etwas rann über ihre Oberlippe. Lyvianne leckte danach. Blut! Ihr troff Blut aus der Nase!
    »Komm dort heraus!«, flehte Bidayn. »Bitte komm mit mir weg von hier! Deine Aura verlischt!«
    »Gleich!« Sie war dem Geheimnis so nahe … nur noch ein paar Augenblicke. Das blaue Licht war plötzlich verschwunden, und so musste sie die Öllampe an den Bleiwänden entlangbewegen, um weiterzulesen. Ihre Augen überflogen den Text. Er war einer der sieben ersten Meister der Weißen Halle gewesen. Ein Drachenelf! Die Himmelsschlangen hatten ihn und seine Gefährten geschickt, und sie waren über den Kraterrand gestiegen. Auch sie hatten den Befehl gehabt, zu Nangog vorzudringen.
    Ein leises Knistern ließ Lyvianne den Blick wenden. In den Tiefen der Augenhöhlen des Toten glomm nun ein himmelblaues Licht. »Die Schlange hat uns gestellt …«
    Seine Botschaft. Lyvianne begriff. Es war ihre Aura, die den Zauber mit neuer Kraft speiste, den der Sterbende gewirkt hatte. Die Botschaft, die bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt war. Sie würde sich wieder zusammensetzen.
    Der Zauber, der seine Worte über den Tod hinaus zu ihr trug, vermochte sich selbst zu heilen, wenn ihm neue Kraft zugeführt wurde. Lyvianne war überwältigt. Nie hatte sie von so etwas auch nur gehört. Vielleicht konnten die Himmelsschlangen solche Magie wirken, den Albenkindern aber war sie vorenthalten. Ein Irrtum.
    Das Glimmen in den Augen wurde stärker. Die Lippen des Toten, die eben noch geschlossen gewesen waren, klafften nun einen Spalt weit offen.
    »Bleib!«
    Brennender Schmerz kroch über Lyviannes Haut. Fast hätte sie die Lampe fallen gelassen. Er hatte seine Seele gebunden, sodass sie seinen Leichnam nicht verlassen konnte! Sie wollte ein Wort der Macht sprechen, um sich zu schützen, doch spürte sie, dass ihre eigene Macht sie verlassen hatte. Sie war so schwach, dass die Lampe in ihrer Hand schwer wie ein Felsbrocken wog.
    Wieder zog Bidayn an ihr, und diesmal leistete Lyvianne keinen Widerstand mehr.
    Das blaue Licht in den Augen des Toten wuchs an. Er lächelte, als Lyvianne vom Stein zurückwich.
    »Das Ding da drinnen bringt dich um!«, keuchte Bidayn aufgelöst. »Wir müssen fort von hier. Sofort!«
    Lyvianne konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Sie wusste, es war nicht klug, länger zu bleiben. Aber sie war so nah daran, das Geheimnis zu lösen! Der alte Zauber baute sich wieder auf. Bald würde die ganze Botschaft zu hören sein, die dieser alte Meister ihnen hinterlassen hatte.
    Die Öllampe entglitt Lyviannes zitternder Hand. Sie war so schwach. Benommen bemerkte sie, dass die Haut ihrer Hand schlaff und faltig wirkte. Sie blinzelte. Sah noch einmal hin, dann fuhr sie erschrocken mit den Fingern über ihr Antlitz. Sie war gealtert! Der Schock nahm ihr die letzte Kraft. Ihre Beine knickten weg, sie stürzte nach vorn und fing sich mit den Händen an der grauen Bleiwand ab, die unter dem zersplitterten Stein hervorgetreten war.
    Dann erinnerte sie sich, und sie lachte unendlich erleichtert auf. Das waren gar nicht ihre Hände, nicht ihr Gesicht. Sie hatte die Gestalt des Tuwatis nachgeahmt! Auch dessen gealterte Haut. Eine Hand wie eine Vogelkralle schnellte aus dem Loch im Stein und schloss sich wie kaltes Eisen um ihren Arm. Blaue Blitze zuckten aus dem Stein. Größer, kraftvoller nun. Sie hüllten sie in ein Gitterwerk aus Licht.
    Lyvianne schrie auf vor Schmerz. Hundert Messer stachen durch ihre Haut, und es fühlte sich an, als hielte die Krallenhand nicht ihren Arm, sondern ihr Herz umklammert. Sie spürte, wie ihre Aura verging. Wie ihr die Lebenskraft gestohlen wurde, so wie sie selbst vor wenigen Stunden erst Tuwatis bestohlen hatte.
    Ein Schwerthieb ging auf die Krallenhand nieder, verletzte sie aber nicht. Bidayn, halb gelähmt vor Angst, hatte mit ihrem Bronzeschwert zu kraftlos zugeschlagen. Der Arm zuckte zurück durch das Loch in der Bleiwand. Lyvianne

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