Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
sprechen?«, fragte der Priester unterwürfig.
»Nein! Du hättest in Kush kämpfen sollen. Du und all deine Ordensbrüder mit den weichen Händen und den kleinen Herzen. Euer Verrat war es, der Tausenden Männern auf der staubigen Hochebene den Tod gebracht hat. Ich war da, es zu sehen. Wo warst du? Ging es dir gut in diesem Tempel? Hat man deinen Bauch mit köstlichen Speisen gefüllt? Musstest du hart mit dem Griffel arbeiten, um neue Tontafeln zu verfassen, als die besten Männer Arams in den Staub von Garagum bluteten? Bald wird der Unsterbliche nach Nangog zurückkehren. Und mit ihm werden die Kushiten kommen. Meine Brüder. Und sie haben nichts vergessen, Priester.«
Gonvalon maß den jungen Mann mit abfälligem Blick. Der Priester war fast einen Kopf kleiner als er. Er hatte ein dümmliches, rundes Gesicht und roch viel besser, als es die Menschenkinder gemeinhin taten. Er wusch sich regelmäßig und betupfte sich unter den Achseln mit Blütenwasser.
»Ihr Priester habt euch den Befehlen des Unsterblichen wider setzt und die Bambusrohre des Fluggestells der Daimonin mit Blei gefüllt. Die Götter allein hätten entscheiden sollen, ob die Daimonin unter den anderen Helden Nangogs im Wind gleitet. Ihr habt euren Willen über den der Götter gestellt, und ihr wagt es noch, euch deren Diener zu nennen?« Der Elf erhob sich abrupt, und seine Schwertscheide schlug so hart gegen den Stuhl, dass dieser zur Seite schlitterte. »In meinen Augen bist du ein Wurm. Und du bietest mir an, mir einen Oberwurm zu rufen? Welchen Gefallen sollte ich daran finden?«
»Ich wollte Euch dienen, ehrenwerter Asa. Ich …«
»Schweig still, Wurm!«, fuhr Gonvalon den Jungen an, der aussah, als wolle er sich am liebsten in sich selbst verkriechen. »Du rührst keine dieser Tafeln über euren schändlichen Verrat an, der den Zwist zwischen dem Unsterblichen Aaron und dem Unsterb lichen Muwatta heraufbeschworen hat. Sie sollen auf diesem Tisch liegen bleiben. Morgen werde ich noch einmal die Geschichte eurer Niedertracht studieren. Du kannst nicht ermessen, wie viel Leid ihr über die beiden Königreiche gebracht habt! Du wirst zudem nach anderen Tafeln für mich suchen. Morgen möchte ich über die ersten Helden lesen, denen die Ehre zuteilwurde, über dem Weltenmund zu schweben.« Gonvalon hielt kurz inne und baute sich drohend vor dem Priester auf.
»Suche leidenschaftlich nach dem, was ich von dir fordere. Sorge dafür, dass ich nicht enttäuscht bin, wenn ich morgen wiederkehre, denn ich bin einer der Männer, die entscheiden werden, ob du und deine Oberen dem langen Schlaf übergeben werden.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ er mit raschen Schritten den Saal, den ihm die Priester der Geflügelten Sonne seit dem ersten Tag seines Erscheinens ganz allein überließen. Gonvalon war sich bewusst, dass er eben zu weit gegangen war. Seine Worte würden den Oberen zu Gehör gebracht werden.
Der Elf schritt auf einem schmalen Grat. Die ersten Tage nach ihrer Ankunft war er in verschiedenen Masken durch die Goldene Stadt gestreift. Er hatte den Menschenkindern auf den Märkten und in den billigen Garstuben unten am Hafen zugehört, ihre Gespräche belauscht und versucht, sich ein Bild von dieser ungeheuerlichen Metropole zu machen. Dabei war er auf die Geschichte des Duells zwischen den beiden Unsterblichen gestoßen, und auf Talinwyn, die hier nur als Daimonin bekannt war.
Die Intrige der Priester hatte zu vielen Verhaftungen geführt. Juba, der Kriegsmeister Arams, war mit eiserner Härte gegen die Verschwörer vorgegangen, woraufhin Dutzende Priester hingerichtet worden waren. Hunderte hatten Amt und Würden verloren und waren in die Verbannung vertrieben worden. Seit jenen Tagen schien das Reich Aram nicht zur Ruhe gekommen zu sein. Aaron, der Herrscher, hatte ein großes Heer aufgestellt und Mu watta auf der Hochebene von Kush besiegt. Seine Reformen brachten Unsicherheit, und vor einem Mond erst hatte er eine neue Leibgarde aufgestellt, die Kushiten. Angeblich bestand sie ausschließlich aus Fanatikern, die sich auf dem Schlachtfeld hervorgetan hatten.
Daraufhin hatte Gonvalon beschlossen, in die Rolle eines solchen Kriegers zu schlüpfen. Aaron war nicht auf Nangog und seine Leibwache in weiter Ferne, aber niemand im Tempel der Geflügelten Sonne hatte daran gezweifelt, dass er einen seiner Männer schickte, um die Archive einzusehen.
Die Oberen hatten Angst, dass es zu neuen Morden kommen könnte. Sie wollten
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