Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
Krallen stießen aus dem Nebel herab und gruben sich in Gonvalons Umhang. Nodon schnellte vor, stieß sich mit aller Kraft vom Hang ab und holte gleichzeitig zum Schlag aus. Die Krallen verschwanden mit einigen Stofffetzen im grauen Dunst.
Sie mussten den Nebel hinter sich lassen! Die Kreaturen, die er verbarg, schienen das Licht der Fackeln zu scheuen. »Dort entlang, weg von der Felszunge!«, rief Nodon.
Die Fackeln eilten am Kraterrand entlang hin zu der breiten Felsterrasse, von der die fliegenden Toten hinabgestürzt wurden. Sie hatten unterhalb der Steilwand Talinwyns Totenfeuer entzündet. Es schien, als würde Gonvalons Plan doch noch aufgehen, denn das Totenfeuer lockte die Krieger an. Entlang des Pfades am Kraterrand würden jetzt nur noch wenige Wachen stehen.
Ganz deutlich hörte Nodon nun ein metallisches Klirren unter ihnen. Sie erhöhten ihr Tempo. Wieder bebte der Hang wie unter schweren Schritten, als sie ein Stück östlich der Felsterrasse den Rand der weiten Nebelbank erreichten. Mal entkamen sie für einige Schritt dem milchigen Odem des Kraters, dann umfing sie erneut der Dunst. Süßlicher Verwesungsgeruch haftete ihm nun an. Endlich ließen sie die Grenze zwischen Nebel und Nacht hinter sich. Parallel zum Kraterrand rannten und kletterten sie den Monden am Horizont entgegen, setzten über jahrhundertealte Mauerreste hinweg und ließen die Feuerkugeln, die noch immer in den Abgrund rollten, weit hinter sich. Bald waren es nur noch die Signalfeuer auf den Türmen, die die Nacht erhellten. Jetzt endlich wagten sie sich das letzte Stück zum Kraterrand hinauf.
Die beiden Schwertmeister verlangsamten ihre Schritte und hielten auf einen Wachturm zu, dessen Wachmannschaft von der Plattform aus gespannt das Spektakel bei der Felszunge verfolgte. Ungesehen gelangten sie über die niedrige Mauer beim Saumpfad. Kurz verharrten sie im Schatten des Turmes, dann strebten sie der nächstgelegenen Straße entgegen, die hinunter in die Stadt führte.
Sie waren noch keine zehn Schritt weit, als sie das Verhängnis nahen hörten. Marschtritte. Eine ganze Kolonne von Kriegern kam ihnen entgegen. Rechts und links wurde die Straße von hohen Mauern gesäumt, hinter denen das aufgeregte Kläffen von Wachhunden zu vernehmen war.
»Zurück!«, entschied Nodon. Sie würden den nächsten Weg hinab in die Stadt nehmen.
»Zu spät!« Gonvalon deutete zum Turm am Kraterrand. Einer der Wächter auf der Plattform hatte sie entdeckt und schwenkte nun wild seine Fackel. Sie konnten hören, wie sich die Marsch tritte beschleunigten. Gleichzeitig stürmten fünf der Turmwachen den Eingang der Straße.
Die beiden Elfen tauschten einen kurzen Blick. Sie waren gefangen. Die Mauern waren zu hoch, damit war Flucht keine Lösung. Nodon konnte in Gonvalons Augen lesen, dass der Schwertmeister ebenso dachte. Vielleicht könnten sie sich noch frech herausreden?
»Was macht ihr hier?«, herrschte sie einer der Männer an, die vom Turm kamen. Ein Kerl mit einem länglichen Gesicht und üppigem Bart. Drohend reckte er ihnen einen langen Speer entgegen, während ihn seine Gefährten mit ihren Rundschilden und Bronzeschwertern abschirmten. »Antwortet! Was habt ihr am Weltenmund zu suchen?«
Gonvalon hob beschwichtigend die Arme. »Wir sind nur am Kraterrand entlanggeschlendert.«
»Und warum hattet ihr es dann so eilig, in diese Straße zu schlüpfen?«
»Ich hab die nicht am Kraterrand gesehen«, fügte einer seiner Kameraden hinzu. »Die lügen.«
»Was ist hier los?«, erklang hinter ihnen eine scharfe Stimme, und die Marschtritte verstummten. Eine Kolonne von Kriegern versperrte den Weg hinab in die Stadt. In Zweierreihe aufgestellt, standen dort zwölf Speerträger, gewappnet mit großen, mit Kuhfell bespannten Schilden und Bronzekürassen. Ihre Helme waren von Kronen aus roten Federn umringt. Nodon hatte solche Krieger bislang noch nicht in der Stadt gesehen. Vielleicht gehörten sie zu einer Tempelwache? Ihr Anführer trug einen prächtigen, goldgesäumten Umhang, der von einer Brosche in Form einer geflügelten Sonne zusammengehalten wurde. Er war ein Jüngling mit spärlichem Bartwuchs und schulterlangem, geöltem Haar. Wahrscheinlich irgendein Adelsspross, der sich auf leichten Missionen erste Meriten verdienen sollte, ohne dabei wirklich in Gefahr zu geraten.
Plötzlich runzelte der Anführer die Stirn. »Ihr? Was tut Ihr hier, ehrenwerter Asa?«
»Ich suchte einen Ort, an dem ich mit Jonah dem Roten, dem
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