Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
sie ein Jahrhundert lang getrennt gewesen. Schließlich war sie es, die sich löste. Sie war neugierig, endlich das Bild auf ihrem Rücken zu sehen.
»Wartest du schon lange auf mich?«
Er zuckte mit den Schultern, als bedeute es nichts. »Zwei Tage. Es waren noch andere hier. Nodon und die übrigen Drachenelfen aus der Bergfeste. Du hast lange geschlafen, nachdem Nachtatem gegangen war.«
Es lag ihr auf der Zunge zu fragen, wohin die Himmelsschlange verschwunden war, doch sie fürchtete, Gonvalon damit zu verletzen. »Wie lange war ich in der Pyramide?«
»Elf Tage«, sagte Gonvalon knapp, und diesmal lag ein Hauch von Bitternis in seiner Stimme. Er sah nicht zu ihr auf, sondern begann, die Lichter in den Blendlaternen zu entzünden. Dann stellte er sie auf einen der mächtigen Steinquader, die aus der Seitenwand der Pyramide gebrochen waren.
Nandalee hatte gedacht, dass sie noch länger beim Dunklen geblieben war. Sie hatten so vieles geteilt. Elf Tage nur …
»Komm!« Gonvalon winkte sie zu sich und zog etwas, das in ein dickes, rotes Wolltuch gehüllt war, aus der Satteltasche. Vorsichtig schlug er das Tuch zurück; darin verbarg sich ein fast einen Schritt langer Spiegel.
»Wo hast du den her?« Nandalee drehte sich davor und konnte nun wenigstens einen Teil des Bildes auf ihrem Rücken sehen.
Gonvalon zog noch einen Handspiegel aus der Satteltasche. »Nimm den hier. Benutze ihn, um das andere Spiegelbild zu betrachten.« Er lachte. »Ich hab einige Übung darin, so siehst du am meisten. Die Spiegel stammen übrigens vom verehrten Schwertmeister Nodon. Er ist eitler, als ich gedacht hätte. Er hat sie hierher mitgebracht und mir unter der Androhung überlassen, mir sämtliche Glieder abzuhacken, wenn auch nur eine Schramme auf die Spiegel kommt.«
Nandalee hörte ihm kaum zu. Sie hatte den Handspiegel genommen und drehte ihn, bis sie durch den zweiten Spiegel ihren ganzen Rücken sehen konnte. Zwei Drachen waren darauf tätowiert. Sie glichen jenen aus ihrem Fiebertraum in der Wüste. Ein Silberner und ein Schwarzer. Beide rangen miteinander, oder war es ein Liebesspiel? Im Hintergrund war eine gehämmerte Sil berscheibe zu sehen. Davor, mit der Spitze nach unten, ihr Schwert, Todbringer.
»Was mag das bedeuten?«, fragte sie Gonvalon.
Der Schwertmeister schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Das Schwert steht zwischen den Drachen, aber es scheint sie nicht daran zu hindern, einander zu befehden. Die Silberscheibe …? Ein Rätsel. Soll es der Mond sein? Und die beiden Drachen …? Der Schwarze könnte Nachtatem sein. Aber der Silberne …? Es hat nie eine Himmelsschlange von dieser Farbe gegeben. Jede Tätowierung ist ein Spiegel deines Schicksals. Meine zeigte die Verbundenheit mit dem Goldenen und dem Schwert. Für lange Zeit war ich sein Auserwählter, sein Schwertmeister, der Erste unter seinen Mördern. Du hast mir geholfen, einen anderen Weg zu finden. Doch der Goldene bedroht mich nun. Auch wenn er mir meine Tätowierung genommen hat, so bin ich sicher, dass ich eines Tages entweder durch ihn oder durch das Schwert fallen werde. Diese beiden Kräfte bestimmen mein Leben.«
»Willst du sagen, auch mein Leben wird durch das Schwert bestimmt?«
Gonvalon sah sie verwundert an. »Du bist eine Drachenelfe. Du hast dich für den Weg des Schwertes entschieden. Ich weiß nicht, ob das Schwert dich symbolisiert. Ich hoffe nicht, denn es ist nicht gut, zwischen zwei Drachen zu stehen.«
Nandalee betrachtete die Tätowierung lange durch den Spiegel. »Es ist nur ein Bild«, sagte sie schließlich. »Über meinen Lebensweg entscheide allein ich. Gar nichts ist vorherbestimmt!«
Gonvalon war klug genug, nicht zu widersprechen, aber sie sah ihm an, dass er anders darüber dachte. »Findest du, dass mich die Tätowierung entstellt?«
Er wirkte überrascht, dann sah er sie lange an. »Ich liebe dich, Nandalee. Für mich wirst du immer schön sein. Ganz gleich, ob du den Leib eines Rehs aufbrichst, mich mit blutbespritztem Gesicht anschaust und deine Arme bis zu den Ellenbogen in den Eingeweiden stecken oder du frisch gewaschen einem See entsteigst. Du bist die Eine. Und das wirst du immer sein.«
Sie war so unglaublich erleichtert, suchte nach Worten, und wieder wollte es ihr nicht gelingen, ihre Liebe in Sprache zu kleid en. Gonvalon schien auch nichts zu erwarten. Er nahm den Hands piegel wieder an sich, schlug den großen Spiegel in die Wolldecke ein und löschte die Blendlaternen. »Ich
Weitere Kostenlose Bücher