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Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)

Titel: Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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können, ein Tuch um die Lenden zu tragen, um weniger Anstoß unter seinem Gefolge zu erregen. Das Ungeheuer ließ sich von ihm anfassen, aber von niemandem sonst.
    Im Bauch des Wolkensammlers hatte er davon geträumt, was auf der Welt geschehen war. Wie die Geschöpfe Nangogs mit Menschen verschmolzen waren und den Grünen Geistern Leiber geboren hatten. Tausende neue Ungeheuer streiften durch die weiten Wälder, und sie hatten hunderterlei Formen angenommen. Sie alle waren vom Hass auf die Eindringlinge in ihre Welt beseelt, allerdings spürten sie auch, wer seinen Weg zur Großen Göttin gefunden hatte. Wehe denen, die den Devanthar nicht abgeschworen hatten! Bei ihrem ersten Besuch hatte die Kreatur einen Wolkenschiffer aus der Takelage gezerrt und in die Tiefe stürzen lassen. Danach war sie für eine Weile verschwunden gewesen. Barnaba hegte keinen Zweifel daran, dass das Vogelweib ein Festmahl am zerschmetterten Kadaver des Unglücklichen abgehalten hatte.
    Ein ängstliches Raunen seiner Jünger riss ihn aus seinen Gedan ken, und er drehte sich um. Steuerbord schrammten die Spitzen der Masten, die fast waagerecht aus dem Rumpf ragten, beinahe die Felswand. Seit einigen Stunden flogen sie nun schon zwischen himmelhohen Tafelbergen hindurch, die sich wie geborstene Säulen eines riesigen Palastes aus dem weiten Dschungel erhoben. Sie waren so nah, dass Barnaba ganz deutlich eine hundegroße Eidech se die Felswand hinaufklettern sah.
    »Wir alle sind in der Hand der Großen Göttin«, sagte er laut. »Fürchtet euch nicht, meine Freunde, unsere neue Heimat ist nah.«
    Barnaba sah zurück. Sie hatten schon vor über einer Stunde die Sicht zum zweiten Wolkenschiff verloren, das während des Bebens mit ihnen aus der Goldenen Stadt geflohen war. Der Priester streichelte über die dünne Wurzel, die das Holz der Reling gespalten hatte. Der Schiffsbaum war überall an Bord präsent. Sein Wurzelwerk hatte alle Decks durchdrungen, und seine Äste reichten tief in den Leib des Wolkensammlers Wind vor regenschwerem Horizont im Frühlingsmorgenlicht über dem Grünen Meer hinein. Es war der Baum, der das Schiff und die riesige, tentakelbewehrte Kreatur eins werden ließ. Wie Nervenbahnen verbanden sich Äste und Wurzelwerk mit dem Konstrukt aus totem Holz. Die Lotsen in ihren gläsernen Kanzeln unter dem Rumpf konnten ihre Gedanken durch den Baum an den Wolkensammler übermitteln. Meist jedenfalls. Barnaba bezweifelte, dass es auf ganz Nangog einen zweiten Mann gab, der eine dieser Himmelskreaturen so verstand wie er. Er hatte die Träume von Wind vor regenschwerem Horizont im Frühlingsmorgenlicht über dem Grünen Meer geteilt, war in die verwickelten Gedanken der sieben Gehirne des Wolkensammlers eingetaucht. Er wusste, dass das riesige Geschöpf Gedichte über Schneeflocken ersann, wusste, an welchen Baumriesen er besonders gerne ankerte und teilte die Erinnerung daran, wie der junge Wolkensammler von einem Adler schwer verletzt worden war. Wind vor regenschwerem Horizont im Frühlingsmorgenlicht über dem Grünen Meer mochte die Kreatur, die auf der Reling hockte, nicht. Obwohl sie so grotesk entstellt war, erinnere sie ihn immer noch zu sehr an einen Adler. Sie weckte kämpferische Gefühle in ihm.
    Kolja stieg aus einem Luk an Deck und kam zu ihm herüber. Der narbige Krieger ließ seine verbliebene Hand stets auf dem Schwertknauf ruhen, wenn er in die Nähe des Vogelweibs kam. Barnaba wusste, wer der Söldner gewesen war. Der Wolkensammler hatte ihn vor Bluthand , wie er Kolja nannte, gewarnt.
    »Veccio flucht so lautstark, dass man ihn im halben Schiff hören kann«, rief Kolja Barnaba entgegen. Er blieb in einigem Abstand stehen und ließ das Vogelweib nicht aus den Augen. »Vorhin wäre se ine Kanzel fast von einer Felsnadel abgerissen worden, die plötz lich aus den Wolken aufragte.«
    »Sag dem Lotsen, dass wir in weniger als einer halben Stunde unser Ziel erreichen werden. Ich fürchte, das letzte Flugmanöver wird ihn noch einige Nerven kosten.«
    Der Söldner sah ihn so überrascht an, dass Barnaba schmunzeln musste. »Ich bin ein Heiliger Mann. Ich weiß um alles, was auf dem Schiff geschieht, so auch, dass Veccio dich hierhergeschickt hat, um diese Auskunft einzuholen.«
    Kolja musterte ihn argwöhnisch. Barnaba konnte spüren, dass ihm der hünenhafte Krieger nicht glaubte. Und er hatte völlig recht – es war Wind vor regenschwerem Horizont, der ihn über alles, was an Bord geschah, informierte.

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