Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
nur erschrocken über seine Dummheit. Hatte er etwas übersehen? Auch ihm war bewusst, dass sich nicht alle Mosaiksteine in das Bild fügten, das er entworfen hatte. Die Frau, die ihm geholfen hatte, als er erblindet war, musste eine Daimonin gewesen sein. Warum hatte sie das getan? Wenn sie Chaos stiften wollten, war ihnen mit einem blinden Unsterblichen doch eher geholfen.
»Spricht da nicht nur ein ängstliches Herz?«, zischte die Geflügelte Schlange. »Wie weit ist es mit uns gekommen, Brüder und Schwestern, wenn wir nun auf die Phantasien eines ängstlichen Mannes hören? Wissen wir nicht besser, was wirklich geschehen ist? Wir kennen den Grund, warum die Himmelsschlangen ihre Elfen nach Nangog schickten. Wenn wir von nun an Frieden bewahren, dann wird es keine weiteren Kämpfe geben. Bringen wir Ordnung in unser eigenes Haus! Strafen wir diesen Tempelschänder, der es den Elfen erleichtert hat, so viel Unheil zu stiften. Ich verlange sein Herz! Er soll auf dem Altar jenes Tempels sterben, den er entweiht hat!«
»Unsere Schwester hat recht!«, pflichtete ein Devanthar mit Adlerkopf bei. »Hören wir nicht auf ein Hasenherz! Schlimm genug, dass wir uns so weit erniedrigten, ihn hier vor uns sprechen zu lassen. Sein Gestammel erinnert mich an einen Blinden, der versucht, Farben zu beschreiben.«
Artax spürte, wie die Stimmung erneut kippte und sich gegen ihn wandte. Wenn er die Götter jetzt nicht für sich gewann, dann war er ein toter Mann. »Die Invasion hat bereits begonnen!«, sagte er mit fester Stimme.
»Wovon redest du da?«, herrschte ihn der Ebermann an, dem er schon einmal in dem unheimlichen Berg unweit der Kupfermine Um el-Amand begegnet war.
»Davon, was mir vor drei Tagen gezeigt wurde: ein Daimon halb Mann, halb Krokodil. Er hatte die Fischer auf dem Großen Fluss angegriffen, ihre Boote zerfetzt und seine unglücklichen Opfer hinab in die Fluten gezogen. Er war kaum kleiner als Ihr es seid, Göttlicher. Zwei Wochen wurde er gejagt. Und als meine Krieger ihn stellten, hat er fünf von ihnen getötet und sieben weitere schwer verwundet. Jeden Tag gibt es neue Berichte über Daimonen. Ganze Dörfer wurden schon aufgegeben, weil die Menschen Angst haben. Mir wurde von geflügelten Frauen berichtet, die mit Adlerfängen die Bauern auf den Feldern zerreißen, von Hundemännern, lebenden Bäumen und selbst von Toten, die sich wieder aus ihren Gräbern erhoben haben sollen. Ich rede hier nicht über Ängste. Dass die Invasion begonnen hat, ist eine Tatsache!«
Wieder herrschte lange Schweigen, und Artax konnte nur vermuten, dass die Devanthar miteinander in Gedanken sprachen. Auch kam es ihm vor, als würden sie sich in zwei Lager teilen. Es kam Bewegung in die Götter, der Tanz der Schattensäulen wurde schneller, selbst die Wände und die gewölbte Decke über ihm schienen zu zerfließen und sich neu zu formen. Nichts in diesem Raum war von Bestand. Ihre Architektur war genauso launisch und unstet wie die Götter, die sie erschaffen hatten.
»Du wirst nicht sterben«, raunte ihm der Löwenhäuptige zu. »Aber du hast mächtige Feinde, die von nun an nur darauf warten, dass du einen Fehler machst.«
Ein außerordentlich hässlicher Devanthar mit überlangen, muskulösen Armen löste sich aus der Gruppe der Götter und trat vor Artax. »Was brauchst du, um die Daimonen besser bekämpfen zu können?«
»Einigkeit«, antwortete er ohne Zögern. »Alle Unsterblichen sollen sich versammeln. Unsere Fehden müssen beigelegt werden. Wir müssen umeinander wissen, uns verstehen und vertrauen lernen. Wir …« Er stockte. Ihm war nur zu bewusst, dass sich der Unsterbliche der Zapote wohl kaum mit ihm an einen Tisch setzen würde. »Ihr Götter müsst dabei anwesend sein. Alle! Es wird Streit geben, den nur ihr schlichten könnt.«
Der Bär an Artax’ Seite brach in tiefes, dröhnendes Gelächter aus. War es so naiv anzunehmen, dass die Devanthar untereinander Frieden hielten und alle gemeinsam ein Ziel verfolgten?
»Ein solches Treffen will vorbereitet sein«, erhob der adlerköpfige Gott seine Stimme. »Die Unsterblichen werden Zeit brauchen. Und ein Hungerwinter steht vor der Tür. Vor dem Frühling ist keine große Zusammenkunft möglich. Ich unterstütze den Vorschlag Aarons von Aram. Wählen wir den Tag des Opferfestes zu Frühlingsbeginn. Und versammeln wir uns in Selinunt. Bis dahin wird die neue Hauptstadt des Unsterblichen Ansur vollendet sein. Feiern wir ein Fest der Menschen und
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