Drachenelfen - Die gefesselte Göttin (German Edition)
ihren Vater.«
Der Kleine wusste offenbar vor lauter Angst nicht mehr, was er schwatzt, dachte Nandalee und hakte nicht weiter nach. Der Große Schlinger . Sie hatte noch nie gehört, dass jemand Nachtatem so nannte.
»Hier. Das ist der Ort«, stieß der Kobold ängstlich hervor. Ein zweiter Tunnel kreuzte ihren Weg. »Ihr müsst da entlanggehen.« Ihr Führer deutete auf den Gang, der nach links abzweigte, und hielt ihr die Fackel hin.
»Und du?«, fragte Nandalee überrascht.
»Ich habe diesen Ort in meinem Kopf gesehen … Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Von hier an steht es mir nicht mehr zu, Euch zu begleiten. Das konnte ich ganz deutlich spüren, als mir Nachtatem den Weg zeigte. In meinen Gedanken zeigte … Versteht Ihr, Herrin?« Er sah verzweifelt zu ihr auf und war sich augenscheinlich darüber im Klaren, wie wirr ihr seine Worte erscheinen mussten.
»Ich weiß, wie es ist, wenn die Himmelsschlangen zu einem sprechen. Man fühlt sich erhoben und ist doch zugleich auch voller Angst.« Sie nahm die Fackel und stutzte einen Moment. »Woher kennst du mich? Hat Nachtatem dir auch mein Bild gezeigt? Ich glaube, ich bin dir noch nie zuvor begegnet.«
»Ich bin Skultik, der Seerosenhüter. Ich bin Euch nie begegnet, aber wir alle kennen Euren Namen, Nandalee, und den von Gonvalon. Ihr habt Euch gegen den Goldenen erhoben.« Bei den letzten Worten senkte der Kobold seine Stimme und spähte ängstlich in die Dunkelheit der Tunnel. »Ihr habt viele Freunde im kleinen Volk. Wir mögen Geschichten über Rebellen.« Er grinste verschwö rerisch und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Dunkelheit des Gangs, durch den sie gekommen waren.
Nandalee blickte in den Tunnel, dem sie folgen sollte. Ein warmer Luftzug kam von dort, der den Wohlgeruch von Drachen mit sich trug. Was wollte Nachtatem von ihr? Warum empfing er sie nicht in der Halle der Gazala oder draußen in den Gärten der Felsoase? Wusste er um ihren Streit mit dem Rotrücken?
Sie streckte die Fackel vor und ging los. Dieser Tunnel war anders als der vorherige. Hier waren die Wände von zarten Gipsblüten bedeckt, die aus den Fugen der Steinquader wucherten. Die Decke war von Ruß geschwärzt. Ein Prickeln überlief die Elfe, und plötzlich war es, als griffe die Faust eines unsichtbaren Riesen nach ihr, um sie vorwärtszuzerren. Das Gefühl dauerte nur einen Herzschlag – dann hatte sich alles um sie herum verändert. Von einem Moment auf den anderen fand sie sich in einer weiten Halle wieder, die sie nie zuvor gesehen hatte. Himmelsschlangen umringten sie.
Erschrocken blickte Nandalee sich um. Alle bis auf eine hatten sich zu dieser Versammlung eingefunden. Auch Elfen waren anwesend: Lyvianne, die geheimnisvolle Zauberweberin aus der Weißen Halle, Bidayn, die sich der Meisterin der Magie verschrieben hatte, auch Nodon, den Befehlshaber der Drachenelfen im Jadegarten, entdeckte sie. Und Gonvalon!
Der Tunnel musste sie zu einem der geheimen Drachenpfade geführt haben, die es einem, ähnlich wie die Albenpfade, erlaub ten, weite Distanzen mit einem einzigen Schritt zu überwin den. So war es unmöglich zu sagen, ob sich diese Halle irgendwo unterhalb des Jadegartens oder aber Hunderte Meilen entfernt befand.
Ihr kommt spät, Dame Nandalee.
Die Gedanken des Drachen, die sie heimsuchten, waren wie ein plötzlicher Guss Eiswasser in den Nacken. Sie zuckte zusammen. Es war der Goldene, der das Wort an sie gerichtet hatte.
Alle Blicke ruhten auf ihr. Sie spürte die Missbilligung der Drachen, ihren Zweifel, ihren Zorn. Unwillkürlich duckte sie sich. Es war ihr unmöglich, sich den Gefühlen zu verschließen, die die Himmelsschlangen ihr vermittelten. Sie war zutiefst beschämt. Der Gedanke, die Himmelsschlangen enttäuscht zu haben, war ihr un erträglich.
»Bitte verzeiht. Ich eilte sofort herbei, als ich Nachricht erhielt zu kommen.«
War dies ein Tribunal? Hatten sie sich versammelt, um über sie zu richten, weil sie einen ihrer Drachenbrüder verwundet hatte? Nandalee hob trotzig den Kopf. Der verdammte Rotrücken hatte es nicht besser verdient!
Unser Bruder, der Himmlische, ist tot. Er wurde von den Devanthar heimtückisch ermordet. Nachtatems Gedanken waren umflort von tiefer Trauer, die Nandalee bis ins Herz berührte, sodass ihr unwillkürlich Tränen in die Augen traten. Es war unmöglich, sich den Gefühlen der Himmelsschlangen zu verschließen. Sie waren so überwältigend, wie die Erstgeschlüpften groß waren. Sie
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