Drachenelfen
Herz, das seid Ihr. Die Worte des Meisters hallten in ihren Gedanken wider, obwohl der Drache nicht mehr zu ihr sprach. Ihr traten Tränen in die Augen. Sie schämte sich. Und dann wurde sie erneut wütend, sich vor dem Drachen so schwach zu zeigen. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Wangen und wischte die Tränen fort.
Wisst Ihr, was das Wunderbare an diesem Käfer ist, Dame Nandalee?
»Nein«, entgegnete sie übellaunig.
Wisst Ihr überhaupt, was für ein Käfer das ist?
Sie antwortete nicht. Ihre Unwissenheit war offensichtlich. Was interessierten sie schillernde Käfer! Käfer wie diesen gab es in Carandamon gar nicht. Wie sollte sie ihn kennen!
Ihr müsst entschuldigen, wenn ich in meiner Wortwahl nun etwas drastischer werde, meine Liebe, aber manchmal versteht man die Wahrheit besser, wenn sie sich nicht hinter schönen Phrasen verbirgt. Dieser Käfer ist ein Mistkäfer. Manche nennen ihn auch etwas vornehmer Pillendreher. Natürlich ist er nicht freiwillig hier. Ich habe ihn von einem Besuch bei einem meiner Brüder mitgebracht. Für Euch, Nandalee. Hier auf nacktem Fels zu leben, wo man keine Exkremente findet, ist für ihn wahrscheinlich eine arge Qual. Er frisst Exkremente, wisst Ihr. Und er kommt bestens damit klar. Er sammelt sie auch für seinen Nachwuchs. Er dreht sie zu Kugeln, die ein Vielfaches seines eigenen Gewichtes betragen. Darin legen die Weibchen ihre Eier ab und die Jungen werden in eine Welt geboren, in der sie vor lauter Exkrementen das Tageslicht nicht sehen. Ihr ganzes Leben dreht sich um ScheiÃe! Hört sich ein bisschen an wie Euer Leben im Moment, nicht wahr? Aber wisst Ihr, was wirklich faszinierend ist? Die Männchen rollen die Kugeln aus Mist, die von so erdrückendem Gewicht sind, mit ihren Hinterbeinen. Sie blicken dabei nach vorn in die Sonne.
Sie haben das Beste aus ihrem Leben gemacht. Lernt von ihnen. Wenn Ihr den Mist in Eurem Leben schon nicht loslassen könnt, packt ihn wenigstens hinter Euch, dass er Euch nicht andauernd den Blick auf die Zukunft versperrt.
Nandalee sah ihn an. Fassungslos, zornig, nachdenklich, erstaunt. Lange Zeit schwieg sie, stand einfach nur da und hielt seinem Blick stand.
Dann lachte sie.
VERBOTENES WISSEN
»Ich weià nicht, wie viele Tage mir noch bleiben, noch weià ich, ob ich angelogen worden bin, doch die Geschichte, die mir die Getwerg erzählten, klang sehr überzeugend. Zumindest sie glauben daran und handeln danach. Man findet sie allerdings nicht auf den Stelen ihrer Herrscherhallen niedergeschrieben. Sie wird geflüstert, kommt ihr Inhalt doch einer Verschwörung gegen die Alben nahe.
Sie haben mir Obhut gewährt, weil die Feinde ihrer Feinde bei ihnen willkommen sind. Sie wissen, was ich getan habe. Deshalb haben sie mich ins Vertrauen gezogen.
Es war Nangog, die Erdriesin, die von den Devanthar und den Alben gemeinsam erschaffen worden war, die Albenmark formte und auch Daia. Ihr letztes Werk war jene Welt, die ihren Namen trug. Nangog war über die ungezählten Jahre ihrer Arbeit weise geworden. Während sie Gebirge formte, blieb ihr viel Zeit zu denken. Und Devanthar wie Alben begriffen, dass ihnen in der Riesin, die anfangs nur ihr Geschöpf gewesen war, vielleicht eines Tages eine ebenbürtige Gegnerin erwachsen könnte.
Und so verschworen sie sich gegen Nangog, deren Haupt bis in die Wolken reichte, wenn sie aufrecht stand. Sie versetzten die Riesin in einen magischen Schlaf, der bis in alle Ewigkeit währen sollte. Weil sie aber fürchteten, das könne nicht genug sein, trennten die Devanthar ihr das linke Bein unterhalb des Knies ab, auf dass sie sich niemals gegen sie erheben könne. Und die Alben besiegelten ihren finsteren Pakt mit den Devanthar, indem sie Nangog das rechte Bein unterhalb des Knies nahmen. Sie schälten das Fleisch vom Gebein und brachten die Knochen in ihre Heimatwelten. Was die Devanthar damit taten, weià kein Albenkind. Die Alben jedoch nutzten das Schienbein Nangogs als eine Brücke über eine tiefe Schlucht an der Grenze zwischen dem
Herzland und Arkadien. Die Getwerg halten dies für einen verfluchten Ort, an dem das Blut Tausender flieÃen wird und an dem sich einst das Schicksal Albenmarks entscheiden mag.
Nangog aber ahnte den Verrat, den ihre Schöpfer an ihr begehen wollten, und mit ihrem letzten Atemzug vor dem groÃen Schlaf erschuf sie die Grünen Geister, die
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