Drachenelfen
die Namen aller Schüler genannt und schon vor dem Abend hatte ich fast alle wieder vergessen. Es sind einfach zu viele â und wirklich gesprächig ist man hier auch nicht.«
Nandalee musste lächeln. Ihr war es genauso ergangen. Man hatte ihr die Mitschüler vorgestellt, nachdem sie sich von Ailyns Schlägen halbwegs wieder erholt hatte, aber sie hatte dabei kaum hingehört, weil ihr Kopf immer noch brummte.
»Ich bin Nandalee.«
»Ich weië, entgegnete Eleborn. »Dich kennen alle. Seit du dich mit Ailyn angelegt hast, ist dein Name in aller Munde. Die meisten vermuten, dass dir einmal ein schwerer Ast auf den Kopf gefallen sein muss. Eine Minderheit ist der Ansicht, dass du schon verrückt geboren worden bist.«
Nandalee traute ihren Ohren nicht. »Und zu welcher Gruppe gehörst du?«
»Ich bin einmal beim Möweneierstehlen von einer Klippe gestürzt und auf den Kopf gefallen. Ich finde, das schadet nicht. Aber meine Meinung ist möglicherweise nicht das Maà der Dinge. Die meisten hier halten mich, freundlich formuliert, für ⦠seltsam.«
Sie sah Eleborn eindringlich an. Kein Schüler hatte bisher so offen mit ihr gesprochen. Was hatte der Elf vor? Hier behielt jeder seine Vergangenheit für sich, und im Grunde störte das Nandalee auch nicht. Sie hatte schon früher wenig geredet. Eleborn erschien ihr mit seiner Offenheit seltsam. Aber vielleicht war er auch einfach nur besonders durchtrieben? Vielleicht log er sie an? Aufmerksam betrachtete sie ihn â sein helles, fast weiÃes Haar, das offene Gesicht, die schlanke Gestalt. Nicht sonderlich groÃ. Sein Gewand war von einer undefinierbaren Farbe, irgendwo zwischen Grün und Blau. Er war barfuÃ. Die Hosenbeine waren nass.
»Und? Habe ich deine Musterung bestanden, oder bin ich durchgefallen?«
Nandalee musste lachen. »Ich weià es noch nicht. Auf jeden Fall ist das Licht, das du herbeigerufen hast, hilfreich.« Sie beugte sich wieder zwischen den Ãsten hinab. Deutlich sah sie nun die zerbrochenen Eier. Ihre Schalen waren von einem blassen Blau mit groÃen braunen Sprenkeln übersät. Drei waren von Ãsten zerschlagen, ein viertes aber war unversehrt geblieben. Sie hob es auf und bettete es in das Nest. Sie wusste, dass die Misteldrossel nicht mehr zu ihrem Gelege zurückkehren würde.
Unentschlossen sah sie zu Eleborn auf, der schweigend ihren Blick erwiderte. SchlieÃlich nahm sie das Nest. Vielleicht ⦠Sie seufzte. Nein, ohne die Wärme der brütenden Mutter würde das Ei absterben. Unschlüssig hielt sie es in den Händen.
»Einige der Barinsteine geben ein wenig Wärme ab. Wenn du vielleicht ein Nest aus Wolle machst und das Ei hineinbettest â¦Â«
Nandalee sah Eleborn überrascht an. Konnte er in ihren Gedanken lesen? Nein! Er war wahrlich nicht sonderlich schwer zu erraten, was sie gerade gedacht hatte. Sie legte das Ei samt Nest zur Seite und begann erneut damit, die Ãste vom Eibenstamm zu schlagen.
»Was machst du hier eigentlich? Also ich meine â¦Â«
Sie blickte zu ihm auf. »Es sieht nach Baumfällen aus, oder? Ein Nesträuber bin ich jedenfalls nicht.«
»Wenn du nur eins von vier Eiern nach Hause tragen kannst, wärst du auch eine verdammt schlechte Nesträuberin. Ich meinte eher â¦Â«
»Nachdem ich mich beim Malen als Stümperin erwiesen habe und jeder in Hörweite die Beine in die Hand nimmt, wenn ich singe, habe ich mich entschieden, künftig die Kunst auszuüben, Bäume bei schwindendem Licht zu fällen.«
Er lachte. »Dann werde ich künftig wohl nur noch den zweiten Platz in exzentrischen Neigungen halten.«
Nandalee lieà die Axt sinken. »Warum? Was machst du?«
»Ich forme Wasser und Licht.«
Sie hob den künftigen Bogenstab auf. Er lag angenehm schwer in ihrer Hand. Dann bückte sie sich nach dem Nest. »Welchen Nutzen hat das?«
»Keinen. Meine Kunstwerke vergehen in dem Moment, in dem ich loslasse. Das Licht erlischt, und das Wasser stürzt in den Bach zurück. Es bleibt nichts zurück. Aber sind es nicht gerade die Dinge, die wir nicht unbedingt brauchen, die unser Leben reich machen?«
Das Licht, das er in Händen hielt, verschwand so plötzlich wie eine verlöschende Kerzenflamme, und als Nandalees Augen sich erneut an die Dunkelheit gewöhnt hatten, war auch Eleborn verschwunden. Er war so lautlos
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