Drachenelfen
wurde, klang wie ein Märchen und doch war es die Wahrheit. Und weil es so war, würde diese Geschichte niemals erzählt werden. Wie viel Wahrheit wohl in den Geschichten um das verfluchte Tal steckte? War dies mehr als ein Märchen? Hatte er die Macht, die Leute hier von dieser Angst zu befreien?
»Du sagtest, nicht alle, die zum verfluchten Tal gegangen sind, seien dort gestorben?«
Jitro schlug hastig ein Schutzzeichen. »Beim Löwenhäuptigen, nein. Aber es wäre für sie vielleicht besser gewesen zu sterben. Einer unserer Holzfäller kam zurück, aber man konnte mit ihm nicht mehr vernünftig reden. Er war â¦Â« Der Schmelzmeister
suchte nach Worten und hob hilflos die Hände. »Er war ⦠anders. Er war stark wie ein Ochse, vorher ⦠Nein, das ist nicht richtig. Er war auch danach noch stark. Aber eine Angst, die er uns nicht begreiflich machen konnte, hat ihn zerfressen. Er fing immer wieder an zu schreien. Ganz überraschend. Bei Tag und bei Nacht. Er hat etwas gesehen ⦠das sonst niemand sah. Er hat sehr viel Unruhe in die Siedlung gebracht.«
»Was ist aus ihm geworden?«
»Er konnte hier nicht mehr leben ⦠Ich bin nicht stolz auf das, was wir getan haben, aber ich musste auch an die anderen denken. Wir haben ihm ein etwas abgelegeneres Haus gegeben. Bei der Wasserquelle, die bitter geworden ist. Es ist etwa eine halbe Meile entfernt. Wir haben ihm auch weiter Wasser und Essen gebracht. Ihr müsst verstehen, Erhabener ⦠Die Frauen und Kinder. Seine Schreie haben sie geängstigt. Es konnte so nicht weitergehen.«
»Und er ist dort geblieben, in dem Haus?«
»Wir haben dafür gesorgt.« Der Glanz in Jitros Augen verblasste. »Ich sagte schon, ich bin nicht stolz auf das, was geschah. Wir ⦠Wir haben ihn angekettet. Er konnte nicht fort von seinem Haus. Aber wir haben ihn gut versorgt!«
»Kann ich dieses Haus einmal sehen?« Artax fragte sich, wie lange der arme Kerl dort wohl angekettet und in Einsamkeit vor sich hinvegetiert hatte.
»Es gibt da nichts Besonderes â¦Â« Ein Blick von Artax lieà den Schmelzmeister zusammenzucken. »Ja, Erhabener. Ich werde Euch dorthin bringen. Natürlich â¦Â«
Artax war verärgert. Im Grunde hielt er Jitro für einen guten Mann. Aber diese Geschichte hier ⦠In Belbek, seinem eigenen Dorf, waren die Verrückten auch manchmal weggesperrt worden. Ihre Familien schämten sich ihrer. Auch Gajane, die Dorfirre, war von ihrer Schwester manchmal in den Ziegenstall gesperrt worden. Er hielt das für falsch, aber so standen die Dinge nun einmal. Sehr viel wütender war er darüber, dass der Provinzsatrap nichts
unternommen hatte, obwohl er von Jitro um Hilfe gebeten worden war. Sein nächstes Reiseziel war Nari, die gröÃte Stadt dieser Satrapie. Er würde den Stadtfürsten für seine Untätigkeit zur Rede stellen und dafür sorgen, dass ein Trupp Krieger ausgeschickt wurde, um sich dieses ominösen Ãbels anzunehmen.
»Ich werde dir helfen, Jitro«, sagte er entschieden.
Der Schmelzmeister nickte dankbar, aber ein letzter Rest Furcht in seinem Gesicht blieb.
Der Weg zu der abgelegenen Hütte führte an den Schlackenhalden bei den Schachtöfen vorbei. Noch zehn Schritt entfernt konnte Artax die Gluthitze der Ãfen spüren. Die Arbeiter an den groÃen Blasbälgen wechselten sich ab. Ihre Leiber glänzten vor SchweiÃ. Sie verbeugten sich demütig, während er vorüberging.
BeiÃender Rauch hing in der Luft und ein kleiner Hund hob die Schnauze aus einem Müllhaufen und starrte ihn an. Die Felswand, in der die Mineneingänge klafften, war von Ruà geschwärzt. Sie lieÃen die Arbeitsstätten hinter sich und kamen an einem Rinnsal vorbei, das sich in einer Kette stinkender Pfützen verlor.
Ein Stück entfernt sahen sie ein Haus, das sich in den Windschatten eines Hügels duckte. Die Tür stand weit offen, ein einzelner Fensterladen hing schief in seinen Angeln. Die Hütte war aus graubraunem Stein gebaut. Das Dach aus Schilfgras war dick mit dem hellbraunen Staub bedeckt, den der Wind aus der Steppe heranwehte.
»Das ist das Haus«, sagte Jitro. »Nichts Besonderes.«
Artax ging weiter. »Wie ist er gestorben?«
Jitro seufzte. »Er hat sich seinen Kopf eingeschlagen. An der Wand neben seinem Schlafplatz. Ganz sicher sind wir uns nicht, was geschehen
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