Drachenelfen
Unsterbliche eine solche Frage? Hatte er etwas falsch gemacht? Er kannte diese Furcht in den Augen der einfachen Leute. Aaron hätte sich daran geweidet. Bastard!
»Um ein groÃes Reich zu führen, Jitro, muss man es verstehen«, sagte er freundlich, bemüht, die Ãngste des Schmelzmeisters zu zerstreuen. »Stell es dir wie einen groÃen Obstbaum vor. Viele Fürsten interessieren sich allein für die Früchte des Baumes. Ich aber will ihn ganz kennen, von der tiefsten Wurzel bis zum äuÃersten Trieb. Ich will verstehen, wie das Kupfer aus dem Fels geholt wird und wie die Gusskuchen entstehen. Ich will die Wege kennen, auf denen man es zu den Bronzeschmelzen bringt. Und wie die Schwerter und Speerspitzen gegossen werden, mit denen ich meine Krieger bewaffne.«
»Ihr seid wahrlich ein lebender Gott, Unsterblicher!«, sagte der Schmelzmeister, der sich noch immer sichtlich unwohl fühlte. Er trug ein Gewand aus feinem Leinen mit braunen Längsstreifen auf weiÃem Grund. Eine Wahl, die ihm nicht schmeichelte. Er war ohnehin schon schlank. In diesem Gewand wirkte er hager. Auf eine Kopfbedeckung verzichtete Jitro. Sein Haar war zerzaust und begann sich zu lichten. Brandnarben auf seinen Händen und
breite dunkle Ringe unter den Fingernägeln verrieten, dass er bei der Arbeit mit anpackte, auch wenn er jetzt, in ein kostbares Gewand gekleidet, den Herrscher Arams an den Stolleneingängen und Schachtöfen vorbeiführte. Artax mochte den Mann. Auf Männern wie Jitro beruhte die Kraft des Reiches und nicht auf den Speichelleckern im Palast von AkÅ¡u, die ihn umschwirrten wie SchmeiÃfliegen ein Stück Aas.
»Warum habt ihr den Ort Um el-Amad genannt? Mutter aller Säulen heiÃt das, nicht wahr?« Die wenigen Arbeiter und Steinhauer in der Nähe wirkten überrascht. Niemand hätte damit gerechnet, dass der Unsterbliche einen Dialekt aus einer fernen Provinz beherrschte.
Aus Jitros Gesicht wich das Misstrauen. Artax wusste, dass er ihn nun für alle Zeiten gewonnen hatte.
»Wir konnten bislang nur eine Gesteinsschicht finden, die sehr kupferhaltig ist. Alle Tunnel führen in diese Schicht. Wir nehmen so viel wie möglich von dem Gestein fort, und so ist eine riesige Höhle entstanden, deren Decke zwischen drei und vier Schritt hoch ist. Damit sie nicht einstürzt, lassen wie einzelne steinerne Pfeiler stehen, und es sieht aus, als würde die Höhle von Hunderten Säulen getragen. Ich kann Euch gern dorthin führen, Unsterblicher.«
Artax lehnte freundlich ab. Er liebte die Weite, und die Vorstellung, in eine Höhle tief im Berg vorzudringen, fand er beklemmend. Artax seufzte, er vermisste Nangog und die Reise auf seinem Palastschiff. Und er vermisste Shaya.
Wo er doch für jeden Finger hundert hübschere Weiber haben könnte. Häng nicht dein Herz an Menschen. Du bist ein Unsterblicher. Du gehörst nicht mehr zu ihnen. Du benutzt sie nur noch.
Und du und all die anderen, ihr seid längst tot. Wann werdet ihr euch endlich fügen und mich mit Grabesschweigen beglücken, dachte Artax ärgerlich. Diese Stimme machte ihn müde. Er hatte sich völlig von seiner Verletzung erholt und die Stimme mittlerweile gut im Griff, aber er fürchtete, was geschehen würde,
wenn er wieder krank und schwach wurde. Das war seine einzige Angst.
Du solltest dich auch davor fürchten, dass wir verstummen. Ohne unsere Erinnerungen bist du nichts!
Artax schüttelte den Kopf. Eine dumme Angewohnheit, die er sich zugelegt hatte und die dennoch nicht half, die lästige Stimme in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen. Er konzentrierte sich auf Jitro. »Wie steht es mit der Erzschmelze? Wie holt ihr das Metall aus dem Gestein?«
»Natürlich, Erhabenster. Die Schmelze. Wir zerkleinern das erzhaltige Gestein. Dann beschicken wir den Schachtofen mit Holzkohle. Wir füllen ihn zu etwas mehr als einem Drittel damit. Darüber lagern wir das Gestein. Siehst du die gemauerten Luftkanäle am Boden? Sobald die Holzkohle entzündet ist, verstärken wir die Glut, indem wir durch groÃe Blasebälge Luft hineinführen. Sie kann nach oben durch den Schacht entweichen. Das zerkleinerte Gestein wird so heiÃ, dass es sein Kupfer ausschwitzt. Die Metalltropfen rinnen hinab und sammeln sich am Grund des Schachtofens zum Schmelzkuchen. Wenn die Holzkohle verbrannt ist, sackt die Gesteinsschlacke von oben herab.
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