Drachenelfen
Schmelzmeister schüttelte entschieden den Kopf.
»Wer dorthin geht, wird reich. Niemand, der hierherkommt, ist reich. Aber manche, die gehen.«
»Wie viele Köhler und Holzfäller sind in den Bergen umgekommen? «
»Es gibt immer wieder Unfälle ⦠Ihr müsst verstehen, Erhabener. Steinschlag, Bären oder plötzliche Kälteeinbrüche. Es ist ein hartes Brot, dort zu arbeiten. Von zwanzig, die im Frühling gehen, kommt einer im Herbst nicht zurück.«
»Und von denen, die mit dem Mann gegangen sind, der hier gestorben ist?«
Jitro seufzte. »AuÃer ihm kam keiner zurück. Und niemand hat es gewagt, zum Dunklen Tal zu gehen, um nach den anderen zu suchen.«
Ãber dem Bild, das das grüne Licht zeigte, war ein groÃer rotbrauner Fleck an der Wand, von dem Schlieren hinab bis zum Bild reichten. »Möge deine Seele Frieden finden«, murmelte Artax. Er versuchte sich vorzustellen, was dieser Mann durchlitten haben mochte. Gefangen, hier in der Einsamkeit des abgeschiedenen Hauses. Allein mit seinen schrecklichen Erinnerungen.
Artax sah den Bronzering in der Wand, an dem die Kette befestigt gewesen sein musste. Sein Blick wanderte über all die Zeichnungen von Mord und Todschlag, um schlieÃlich wieder bei dem unheimlichen grüngelben Farbfleck zu verharren. »Ich werde mit meinem Gefolge zum Dunklen Tal reiten«, entschied er. »Ich brauche Lastesel mit zusätzlichem Proviant. Und zwei Führer, die uns dorthin bringen.«
D AS VERBOTENE TAL
Artaxâ Pferd schnaubte unruhig. Seit sie in das enge Tal eingeritten waren, hatten die Tiere Angst. Und den Reitern ging es nicht besser. Artax wusste, dass in seinem Gefolge Geschichten darüber kursierten, was sie hier erwartete. Am Vorabend hatte er am Lagerplatz
eine Rede gehalten und ganz offen gesagt, was er über dieses Tal wusste und was er vermutete. Er hatte sogar jedem freigestellt zu gehen. Alle waren geblieben.
Du bildest dir doch nicht etwa ein, dass sie geblieben sind, weil sie dich lieben? Ich muss dir zugestehen, sie vor die Wahl zu stellen war ziemlich klug. Ein Lippenbekenntnis. Und vor deinem Gewissen bist du nun ein guter Mensch. Aber in Wahrheit hatten sie nie eine Wahl. Sie alle erinnern sich gut an die Priesterverfolgungen. An das viele Blut an deinen Händen. AuÃerdem, wer dich verlassen hätte, hätte für immer sein Gesicht verloren. Es war nur ein Possenspiel für dein Gewissen, Bauer.
Artax hatte Ãbung darin gewonnen, Aarons Stimme zu überhören. Er konnte sie nicht besiegen, aber nicht auf sie zu hören war dennoch jedes Mal ein kleiner Triumph. Aufmerksam lieà er den Blick über seine Gefährten streifen. Manche begegneten ihm mit einem trotzigen Lächeln und er konnte die Angst sehen, die dahinterlag. Er war für ihr Leben verantwortlich, dachte er beklommen. Sein Befehl hatte sie hierhergeführt. Alles, was hier geschehen würde, ereignete sich, weil er entschieden hatte, ihr Leben zu wagen, um seinen Zielen nachzujagen. Ob andere Herrscher auch von solchen Gedanken geplagt wurden?
Die Antwort ist einfach: Nein! Du plagst dich, weil du kein Herrscher bist. Dein Körper mag auf einem Thron sitzen, aber deine Bedürfnisse und Gedanken â¦
⦠sind noch immer die eines Bauern, beendete Artax in Gedanken den Satz seines Quälgeistes. Ich weiÃ. Und weiÃt du was? Es sind gute Gedanken. Aufrechte Gedanken. Es mögen nicht deine Gedanken sein, aber es sind Gedanken, die allen Herrschern sehr gut zu Gesicht stünden, mein lieber körperloser Aaron.
Sein Quälgeist verstummte und Artax grinste breit. Diese kleinen Dispute machten ihm mittlerweile tatsächlich Freude, und manchmal nahm er sich sogar die Zeit, Aaron nicht nur mundtot zu machen, sondern ihm seine Entscheidungen in Gedanken ausführlich zu erläutern, ganz so, wie ein Lehrer seinem Schüler etwas wieder und wieder erklärt, das dieser noch nicht verstanden
hat. Artax wusste, dass er in seiner Zeit in Aarons Körper vieles würde bewegen können, und er war sich mittlerweile recht sicher, dass der Devanthar ihn nicht mehr Hals über Kopf ersetzen würde. Aber eines Tages würde auch er sterben und ein neuer Körper würde Aarons Unsterblichkeit weitertragen. Die Aarons in seinem Kopf sprachen mit nur einer Stimme zu ihm, obschon es Dutzende sein mussten, die miteinander verschmolzen waren. Er wusste nicht genau,
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