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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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einer hohen, sehr dicken Mauer umfasst, die neugierige Blicke fernhielt.
    Aya kämpfte gegen ihre Niedergeschlagenheit an. Vielleicht musste sie es einfach wagen, auf einen der Höfe hinabzuspringen, auf denen die Löwen umherstreiften. Wenn sie nur leise genug war, würden die Bestien sie ja vielleicht nicht bemerken. Heute hatte sie ohnehin nur vorgehabt, die Dachlandschaft des Palastes zu erkunden. Ein guter Plan musste reifen! Sie würde ihrem Gefängnis schon noch entfliehen!
    Aya balancierte über eine hohe Ziegelmauer, die zwei Höfe voneinander trennte. Sie wusste, dass es der blanke Leichtsinn war. Dies hier musste der Palasttrakt sein, in dem die hohen Beamten ihre Quartiere hatten. Erleichtert erreichte sie die Sicherheit des nächsten Flachdachs. Ob sie in die Gemächer eines der Getreuen des Unsterblichen eindringen sollte? Wenn sie an einen wie Juba geriet, würde sie sofort ausgeliefert, aber einen anderen könnte sie vielleicht betören? Einige der Würdenträger kannte sie, denn seine engsten Vertrauten durften Aaron manchmal zu den formellen Essen im Harem begleiten.
    Gestern Nacht war der Unsterbliche von einer langen Reise zurückgekehrt. Solche Nachrichten erreichten den Harem stets schnell. Aber er hatte noch keine der Frauen zu sich rufen lassen! Ihm stand nicht der Sinn nach Weibern. Ob er mit Männern das Lager teilte? Auf den Reisen war nie eine Frau in seinem Gefolge. Das war seltsam. Früher war das ganz anders gewesen. Da hatte stets ein ganzer Zug Sänften die Karawane des Herrschers begleitet. Die Zelte der Haremsdamen waren ein eigenes Lager innerhalb des Lagers gewesen. Allerdings waren nie alle, die den Palast verlassen hatten, auch wieder zurückgekehrt … War sie verrückt? Wie konnte sie sich nach dem alten Aaron sehnen? Er war grausam gewesen und brutal und diese Art von Liebesspiel vermisste man selbst dann nicht, wenn man verzweifelt war wie sie.
    Sie dachte an die Haare, die Aaron seit Kurzem aus den Ohren sprossen. Da waren früher keine gewesen! Konnte ein Sturz aus
dem Himmel einem über Nacht Haare aus den Ohren wachsen lassen? Oder war Aaron tatsächlich ein anderer, wie manche der Mädchen tuschelten? Gab sich jemand, der ihm so ähnlich wie ein Bruder war, für ihn aus? Hätte der Löwenhäuptige das zugelassen? Niemals! Es sei denn … Es sei denn, der Devanthar hatte den Betrug gewollt. Betrogen die Götter die Menschen? Was für ein verrückter Gedanke! Sie musste fort aus dem Palast! Wenn sie dem Harem nicht entfliehen konnte, würde sie noch wahnsinnig. Sie wäre nicht die Erste, die …
    Schritte! Sie presste sich flach auf das Dach. Eine Wache! Wenn sie hier gefunden wurde, wäre es aus mit ihr. Sie hielt den Atem an. Hatten die unruhigen Löwen jemanden aufgeschreckt? Die Schritte hatten etwas Unentschlossenes. Sah der Wächter sich um? Sie schloss die Augen, wie sie es als Kind getan hatte. Natürlich war das albern, dumm sogar. Als Kind hatte sie geglaubt, wenn sie die Welt nicht mehr sehen könne, würde die Welt auch sie nicht mehr sehen. Einfach verschwinden, nicht mehr als ein Lidschlag. In diesem Augenblick wünschte Aya sich, sie wäre noch einmal Kind. Noch einmal der Liebling ihres Vaters. Dürfte noch einmal mit dem Kopf auf seinem Schoß einschlafen, während er Geschichten von seinen Reisen erzählte.
    Die Schritte entfernten sich und sie spähte vorsichtig über den Rand der Brüstung. Der Wächter befand sich unter ihr in dem Säulengang, der den Hof umgab. Sie konnte ihn nicht sehen, aber seine Schritte ließen Bilder in ihrem Kopf entstehen. Ein Schatten zwischen Säulen, der langsam davonschwebte.
    Sie sollte umkehren. Für diese Nacht hatte sie genug gewagt. Verzweifelt blickte sie zu den hohen Mauern, die den Palast einschlossen. Sie wusste, dass keines der Gebäude den Mauern näher als zehn Schritt kam. Sie würde nicht entkommen. Nicht so. Das Tor des Morgens oder das Tor des Abends. Nur so konnte sie den Palast verlassen. Durch das Tor des Abends gingen die Karawanen, die aus der Neuen Welt kamen. Manchmal waren es Hunderte! Händler, Viehtreiber, Lastenträger. Sie sollte in die Neue
Welt flüchten! Dort gab es zu wenige Frauen. Sie würde sicherlich einen reichen Mann finden.
    Ein Schatten erschien zwischen den Kolonnaden auf der anderen Seite des Hofes und eilte dem Durchgang zum nächsten Hof

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