Drachenelfen
unseren Zielen entspricht. Wir alle hier sind uns darüber im Klaren, dass dein grundlegendes Problem darin besteht, dich Regeln zu unterwerfen. Unsere Regeln zur Ausübung einer Kunst sind weit gefasst, aber wir werden dir nicht gestatten, sie gegen ihre Intentionen zu verkehren.«
»Und was lehrt ihr hier? Die Kunst zu töten, nicht wahr? Wo stehe ich also im Widerspruch? Warum lasst ihr mich nicht meinen Weg gehen?«
»Weil wir dich schützen wollen.« Gonvalon hatte das Wort ergriffen, da er befürchtete, dass Nandalee Lyvianne im nächsten Augenblick schon offen anfeinden würde. »Wenn du unter die Drachenelfen aufsteigen solltest, dann wirst du Dinge tun, die einen Schatten auf deiner Seele hinterlassen. Ich gestehe offen ein, dass ich mir das nicht recht vorstellen konnte, bevor ich zum ersten Mal ausgeschickt wurde, um zu töten. Alles, was wir in der WeiÃen Halle lehren, ist auf Jahrhunderten von Erfahrungen begründet. Vertraue uns, Nandalee. Es ist keine weise Entscheidung, wenn du dich in der Kunst des Tötens üben willst, um die Last des Tötens abzustreifen. Wenn du von einer Mission wiederkehrst,
dann brauchst du Abstand. Und den wirst du mit einem Bogen in der Hand nicht gewinnen.«
»Macht ihr noch neue Erfahrungen oder seid ihr alle im Althergebrachten erstarrt?«
»Wir haben unsere Erfahrungen gemacht, damit unsere Schüler nicht unsere Fehler wiederholen«, sagte Ailyn. Nicht harsch, wie es sonst ihre Art war, sondern fast wehmütig.
Selbst Nandalee war darüber einen Augenblick lang zu verblüfft, um zum Gegenangriff anzusetzen.
Lyvianne streckte die Hand aus. »Den Bogen. Es ist ehrlos, dem Feind, den zu töten man gekommen ist, nicht Aug in Aug gegenüberzutreten. Das ist nicht die Art der Drachenelfen.«
»Nennt ihr etwa das, was ihr tut, einen gerechten Kampf? Ihr habt jahrelang geübt zu töten. Ihr habt es zu einer Kunst erhoben. Und dann tretet ihr einem Troll gegenüber, der immer nur ein Jäger war, und metzelt ihn nieder. Oder gar einem Menschen, der ein Leben lang üben könnte und euch nicht gewachsen wäre. Was ist da der Unterschied zu einem Pfeil? Die Opfer sind auf jeden Fall rettungslos verloren.«
Lyvianne gab ihr eine Ohrfeige, so heftig, dass all ihr Finger auf Nandalees Wange abgemalt waren. »Glaube nicht, dass du weiÃt, was dich da drauÃen erwartet. Bevor du nicht dort warst, gestatte ich dir nicht so zu reden. Und da es dir an Demut fehlt, wirst du die Bronzetafeln unter den Schwertern putzen, die in der Eingangshalle hängen. Jede einzelne. Und merke dir die Namen. Jeder von denen, die gegangen sind, war mehr wert als du.«
Nandalee nahm die Ohrfeige hin, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken. Ihren Bogen hielt sie eng an ihren Körper gepresst. »Was erwartet uns denn in der Welt? Alle hier schweigen! Was für Aufgaben sind das, für die wir zum Töten ausgebildet werden? Was ist so schrecklich, dass man darüber nicht reden kann und sich in irgendeinen nutzlosen Unsinn flüchtet, um es vielleicht zu vergessen? Hat einer von euch ehrbaren Meistern seine Morde vergessen? Wenn dem so ist, dann wird er meinen Bogen bekommen
und ich werde mich fügen und obendrein versuchen, die Kunst zu erlernen, die sein Gewissen einzuschläfern vermag.«
Gonvalon dachte an seine Reisen. An seine Toten. Keiner der Meister antwortete Nandalee. Das gehörte zu den ungeschriebenen Gesetzen der Drachenelfen. Niemand sprach über das, was er getan hatte.
»Es war von vornherein klar, dass mir hier keine Gerechtigkeit widerfahren würde. Ich spreche euch das Recht ab, über mich zu urteilen. Ihr seid ja schon tot! Eure Seelen ruhen längst dort, wo ihr eure Morde begeht!«
»Das genügt!« Lyvianne hatte sich gefasst. »Du forderst uns heraus? Vertraust du so sehr darauf, dass du unter dem Schutz des Dunklen stehst? Täusche dich nicht. Du hast in einem recht â wir sollten uns nicht mit dir abgeben. Ich werde dafür sorgen, dass an einem anderen Ort über dich geurteilt wird. Ãbermorgen schon! An einem Ort, an dem du keine Freunde hast.«
Lyvianne wandte sich ab und ging aufrecht und gemessenen Schrittes zur Schule zurück.
Gonvalon sah ihr lange nach. Er ahnte, was sie im Schilde führte, und es gefiel ihm nicht.
U BER DEN DÃCHERN VON AKÅ U
Aya schwang sich auf das Flachdach und duckte sich in Deckung. Unter sich
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