Drachenelfen
hörte sie die Schritte des Kastraten. Die Haremswachen waren durch Juba in den letzten Wochen noch verstärkt worden. Die meisten dieser dummen Gänse fügten sich freiwillig. Für sie war es eine Ehre, im Harem zu leben. Man wurde sein Leben lang versorgt. Es gab das beste Essen. Die besten Ãrzte kümmerten sich um ihr Wohl und die Frauen durften ihre Kinder behalten, bis die Jungen ein gewisses Alter erreichten und ihre Anwesenheit im Harem nicht mehr tragbar war. Die Mädchen aber wurden im Palast erzogen, bis man sie an irgendeinen Fürsten verheiratete,
um Bündnisse zu stärken. Eine seiner Töchter hatte Aaron in der Vergangenheit sogar zur himmlischen Hochzeit mit Muwatta geschickt. Viel geholfen hatte das ja nicht.
Die Schritte des Wächters verklangen. Aya wagte es, sich ein wenig aufzurichten. Auf der weiten Dachlandschaft des Palastes gab es nur wenig Deckung. Sie konnte leicht von einem der Wächter auf den hohen AuÃenmauern der Palaststadt gesehen werden. Zum Glück suchte deren aufmerksamer Blick nach Eindringlingen, die von jenseits der Mauer kamen. Sie würden gewiss nur selten nach den Palastdächern sehen.
Geduckt schlich Aya an einer niedrigen Mauer entlang. Ihr Vater hatte sie immer liebevoll neckend eine Bergziege genannt. Er hatte keine Söhne gehabt und lange mit seinem Schicksal gehadert, doch schlieÃlich war ihm seine dritte Tochter die liebste geworden. Sie kletterte und raufte wie ein Junge und war dabei unvergleichlich schön. Jedenfalls hatte ihr Vater das immer wieder beteuert.
Aya stiegen Tränen in die Augen. Sie war für den Harem des Unsterblichen ausgewählt worden. Das war die höchste Ehre, die einer Frau zuteil werden konnte. Das Lager mit dem lebenden Gott zu teilen. Seine Kinder zu gebären! Sie konnte ein leises Schluchzen nicht unterdrücken. Wenn ihr Vater gewusst hätte, wie ihr Leben aussehen würde, er hätte sie sicher nicht hergegeben!
Sie war nicht schwanger geworden. In der Hochzeitsnacht hatte Aaron sie brutal genommen. Ohne ein freundliches Wort. Zwei seiner Berater hatten dabei zugesehen. Aya wusste bis heute nicht zu sagen, was schlimmer gewesen war. Wie Aaron sie schlug und biss oder die Schande, dass andere Männer Zeugen ihrer Schändung wurden. Sie hatte sich wie eine StraÃenhure gefühlt, die es in dunklen Gassen mit jedem trieb, der eine Kupfermünze zur Hand hatte.
Noch ehe ihr erster Mond im Harem vorüber war, hatte sie mit ansehen müssen, was mit Frauen geschah, die nicht fügsam waren. Es gab eine Löwengrube im Inneren Palast und ein groÃes
Becken, in dem Krokodile gehalten wurden. Prinzessinnen gab man nicht zurück, wenn man von ihnen enttäuscht wurde. In den Briefen der Hofschreiber hieà es dann, sie seien im Kindbett gestorben.
Sie hatte es verstanden, Aaron nicht zu enttäuschen, wenn er sie zu sich befahl, was zum Glück nicht zu oft geschah. Es gab so unendlich viele Frauen hier. Manche hatte sich der Unsterbliche nie ins Bett geholt. Sie waren im Glauben, etwas Besonderes zu sein, nach Akšu gekommen. Dann war hinter den Mauern des Harems ihre Schönheit verblüht, ohne dass sie den Unsterblichen je zu Gesicht bekamen.
Dichter nannten den Harem einen Rosengarten. Die Narren hatten keine Ahnung. Es war ein Garten voller giftiger Blumen. Ein Ort der Intrigen und der stillen Trauer. Ein Ort für Kindsmörderinnen und Huren. Manche suchten die Freundschaft der Kastraten, die ihre Wächter waren. Was sie taten, damit Männer, denen die Männlichkeit fehlte, Gefallen an ihnen fanden, vermochte Aya sich nicht vorzustellen.
Am gefährlichsten jedoch war es, plötzlich die Gunst des Unsterblichen zu finden. Alle hier hofften darauf. Und manche der Frauen waren keine groÃen Dulderinnen â sie kämpften. Mit den Waffen des Harems. Mit Verrat und Intrige. Mit Lügen! Und selten auch mit dem Pulver aus zerstoÃenem Glas. Es zerschnitt die Innereien, man blutete sich zu Tode. Und Männer, dämlich wie sie waren, hielten es für ein tragisches Frauenschicksal, wenn man auf diese Weise verblutete. Sie sahen nicht nach, aus welcher Körperöffnung das Blut kam.
Aya wollte fort von diesem Ort. Sicherlich, der Unsterbliche war weniger gewalttätig seit jenem Tag, als er aus dem Himmel gefallen war und als ein veränderter Mann zurückkehrte.
Anfangs hatte Aya Angst gehabt, als sie zu den wenigen Frauen
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