Drachenelfen
Morgen!« Er sagte es so laut, dass alle auf dem weiten Hof ihn verstehen konnten. Mit den Worten kehrte sein Wille zurück, etwas zu unternehmen. Er entdeckte Datames im Toreingang und winkte ihm zu kommen.
Das Mädchen küsste noch einmal seine Hand und zog sich zurück.
»WeiÃt du, was in der letzten Nacht vorgefallen ist? War es Brandstiftung oder ein Unfall?«
Der Hofmeister blickte beklommen zu den Dienern, die wieder ihren Arbeiten nachgingen. »Ich habe mir vor allem die Halle angesehen, in der der Harem einquartiert war, Erhabener«, sagte er leise. »Durch den Brand sind viele Spuren verwischt. Und durch den Eifer der Helfer aus dem Palast. Für mich hat es den Anschein, als sei das Feuer an mehreren Stellen dieser Schilfhalle gleichzeitig ausgebrochen. Ein langsames Schwelen, bei dem viel Rauch ins Innere drang. Der Harem ist die einzige Halle, in der es keine Ãberlebenden gab. Keine Flüchtenden. Sie alle sind im Schlaf erstickt â was ungewöhnlich ist. Fast, als habe jemand einen Bannzauber über die Schlafenden gelegt.«
Artax schüttelte ärgerlich den Kopf. Er hatte schon viel über Zauberei reden hören, aber noch nie gesehen, dass jemand Magie anwenden konnte. AuÃer in jenem Tal, viel zu nah seinem Heimatdorf. »Willst du andeuten, dass IÅ¡ta â¦Â«
»Einen Hofzauberer hat Muwatta jedenfalls meines Wissens nicht.«
Wütend ballte Artax die Fäuste. Was tat der Löwenhäuptige für ihn? Hätte er ihn und die Seinen nicht in der letzten Nacht beschützen
können? Wo war er jetzt schon wieder? Warum mischte er sich nicht ein?
»Und unsere Wachen?« Es gelang Artax nicht, seine Wut zu beherrschen, während er sprach. »Wo waren unsere Wachen?«
»Man hat ihnen gestern ein sehr opulentes Mahl serviert und etliche Amphoren mit Wein. Natürlich nur, weil zum Fest der Himmlischen Hochzeit alle in der Stadt besonders gut gespeist werden. Ich schätze, die meisten von ihnen waren betrunken und haben auf ihren Posten geschlafen. Obwohl sie das natürlich entschieden abstreiten.«
Artax fluchte. »Ich sollte sie â¦Â«
»Begnadigen, Erhabener. Oder besser noch, gar nicht erst anklagen. Es sind gute Männer. Sie wurden getäuscht, so wie wir. Und sie leiden an dem, was geschehen ist. Sie alle haben gestern Nacht versucht zu retten, was noch zu retten ist. Keiner von ihnen ist unverletzt geblieben, vier sind tot. Sie brauchen keine Strafe mehr.«
»Keine Strafe dafür, dass sie nicht auf Wache waren? Das ist das Ende der Ordnung!«
»Und wer bestraft den, der uns wider besseres Wissen hierhergeführt hat, Erhabener? Hat er nicht all diese Männer und Frauen mindestens genauso auf dem Gewissen wie die Wachen, die nicht auf Posten waren?«
Artax sah den Hofmeister scharf an. Noch nie war Datames ihm gegenüber so aufsässig gewesen. Doch Datames hielt dem Blick stand. Artax war überrascht, wie viel Selbstsicherheit sein Hofmeister ausstrahlte. Seit der Devanthar ihn zum unsterblichen Aaron gemacht hatte, war er noch keinem Mann begegnet, der seinem Blick standzuhalten gewagt hätte.
»Ihr tragt zwei Drachen in Eurem Herzen, Erhabener. Den Drachen Ehrgeiz und den Drachen Romantik. Beide trachten danach, Euer Leben zu beherrschen. Das macht Euch zu einem gefährlichen Mann für jeden, der dazu verdammt ist, in Eurer Nähe zu sein, Freund wie Feind. Der Himmelssturz hat Euch
verändert. Der Mann, den ich kannte, hatte nur ein Ziel: sein eigenes Vergnügen. Der andere Aaron folgt zu vielen Zielen. Besiegt einen der Drachen in Euch, dann werdet Ihr ein groÃer Mann sein.«
»Welchen Drachen hast du in dir getötet? Und hat dich das zu einem gröÃeren Mann gemacht? Ich werde keinen von beiden aufgeben, denn sie machen mich zu dem, der ich bin. Und nun besorg mir Karren. Wir werden jeden Toten und jeden Verwundeten auf Karren laden. Und wir werden diese verfluchte Tempelstadt noch heute Morgen verlassen!«
Datames nickte knapp. »Und wie werdet Ihr mit den Wachen verfahren, Erhabener?«
»Sie werden auf der Ebene von Kush in der ersten Reihe stehen, wenn wir den Heerscharen Muwattas entgegentreten. Dort werden sie ihre verlorene Ehre wiederfinden können.«
»Gestattet Ihr, dass ich dann ebenfalls in der ersten Reihe stehe, Erhabener?«
Artax musterte den Höfling vom Scheitel bis zur Sohle. Datames war zu zart gebaut; er war
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