Drachenelfen
entkommen konnte.
Die Misteldrossel landete neben ihm im Schnee. Mit schief gelegtem Kopf sah ihn der kleine Vogel mit seinen schwarzen Augen an. Erstaunlich, wie treu er war â¦
»Flieg fort! Das ist kein Platz für dich. Flieg!«
Piep hüpfte ein wenig zur Seite, verharrte dann und sah ihn erneut an. War sie wieder in ihm? Den Gedanken konnte Gonvalon nicht ertragen! Sie sollte ihn so nicht sehen! Nicht die Beine! Sie sollte den Schwertmeister in Erinnerung behalten, ihren Liebhaber, vielleicht auch noch den Steinmetz, der sich die Hände blutig gearbeitet hatte, wenn er versuchte, die Last seiner Seele in Stein zu schlagen. Aber nicht so!
»Flieg weg!«, zischte er den Vogel an. »Weg!« Er warf Klumpen gefrorenen Schnees nach dem Vogel. Piep stieà ein verärgertes Zwitschern aus. Dann flog er davon.
Gonvalon rang mit den Tränen. War sie dort gewesen? »Bitte nicht â¦Â«, flüsterte er schwach. »Bitte.«
Er schob sich ein Stück weiter den Hang hinauf. Wenn er es bis zur Tanne schaffte und den Baum im Rücken hatte, würde er einen besseren letzten Kampf liefern.
Wie eine höhnische Herausforderung erklang das Wolfsgeheul. Waren sie auf seiner Spur? Jagten sie ein anderes Wild?
Er entschied, dass er gar nicht entkommen wollte. Ein guter Abgang, das war alles, was er sich noch wünschte. Er lachte bitter auf. Abgang! Nein, den würde er nicht haben. Er würde nie mehr gehen. Matha Naht und die Wölfe hatten ihn zum Kriecher gemacht.
Mit verbissener Wut rammte er den Dolch durch den Schnee in den gefrorenen Boden und zog sich weiter. Stück für Stück kämpfte er sich den Hang hinauf, und die Wut verlieh ihm neue Kraft. Es war das letzte Aufbäumen, das wusste er.
Allmählich erstickte die Kälte das Feuer seiner Wut. Der Baum war nur noch drei oder vier Schritt entfernt. Würde er es schaffen? Sein Atem ging keuchend. Er dachte an seine Kindheit. Seine frühesten Erinnerungen waren jene an die Wölfe im Schnee. Alles was davor lag, war hinter ehernen Pforten verborgen, die sich nie mehr für ihn geöffnet hatten. Sein bewusstes Leben war ein Kreis, der sich nun schloss. Der Gedanke lieà ihn lächeln. Stimmte ihn friedlicher. Er war so müde.
Mit Wölfen im Schnee hatte es begonnen. Sie hatten ihn zu Gonvalon, dem Winterkind, gemacht. Nun würden die Wölfe ihren Fraà doch noch bekommen.
Er dachte an Nandalee. Hoffentlich hatte sie ihn nicht durch Pieps Augen gesehen, nicht so! Das sollte nicht ihr Abschied sein â¦
Endlich erreichte er die Tanne. Ihr dichtes Geäst hatte den Schnee ferngehalten. Erschöpft lehnte er sich gegen den Stamm. Die Wölfe schwiegen nun. Sammelten sie sich?
Aufrecht sitzend sah er auf seine Beine hinab. Auf die zerrissene, blutige Hose. Den Knochen, der dicht unter seinem Knie aus den Lumpen ragte. Erstaunlich, dass er keinen Schmerz spürte, dachte er nüchtern. Und dass er nicht längst verblutet war. Das musste der Zauber des Holunderbaums sein! Matha Naht hatte gewollt, dass seine Qual lange währte.
Er könnte ihr den letzten Kampf verweigern. Konnte dafür sorgen, dass die Wölfe nur noch Aas fanden. Gonvalon blickte auf den Dolch in seiner Hand.
K ÃPFE AUF SPEEREN
Volodi sah den Steppenreiter überrascht an.
»Du musst das verstehen, Bruder!«, sagte Partatu, ohne ihm dabei in die Augen zu blicken. »Sie ziehen Reiter an der Grenze zusammen. Ein paar Sippenlose und einige unverheiratete Männer werden sicher bei euch bleiben, aber â¦Â« Partatu zuckte mit den Schultern. »Du weiÃt, wie das ist.«
»Willst du sagen damit, dass ich wisse, wie ist Freunde im Stich zu lassen? Willst du beleidigen mich? Oder bist nur dumm? Ich dir werden zeigen â¦Â«
Juba legte ihm die Hand auf die Schulter. »Unser Freund Volodi meint das nicht so. Er kennt deine Sorgen.«
»Ich nix kenne â¦Â«
Juba drückte mit der Hand fester zu und Volodi schluckte seinen Ãrger hinunter. Der Feldherr hatte recht. Wenn er Streit mit diesem flachgesichtigen Halsabschneider anfing, würden ihnen die Steppenkrieger nicht nur davonlaufen â nein, sie würden sich gegen sie stellen. Der Drusnier zwang sich zu einem Lächeln. »Ich haben Spaà gemacht.«
Sein Gegenüber schenkte ihm ein noch unehrlicheres Lächeln. »Ich wusste das. Ich gebe dir jetzt einen Rat, der kostbarer als hundert Eisenschwerter ist.
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