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Drachenelfen

Drachenelfen

Titel: Drachenelfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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beschritten! Etwas wie diesen Zauber hatte Lyvianne noch nie gesehen. Perfide und zugleich vollkommen. Durch und durch böse. Unberührbar! Er war geradezu ein magisches Spiegelbild Matha Nahts. Lyvianne wagte es nicht, an ihn zu rühren. Dieses Gespinst zu zerreißen hieße, alles zu zerstören.
    Müde ließ sie sich neben Gonvalon nieder. Seit sie ihn gefunden hatte, hatte sie kaum geschlafen, und er hatte nie die Augen geschlossen. Kein einziges Mal. Ohne zu blinzeln, starrte er schweigend auf die Decke. Dorthin, wo seine Füße waren. Er war hier und zugleich war er es nicht.
    Er aß kaum. Wie ein Kind fütterte sie ihn mit einem Löffel. Manchmal vergaß er zu schlucken. Dann lief ihm die Brühe aus den Mundwinkeln.
    Â»Mein Kind«, flüsterte sie. Leise summte sie das Gutenachtlied, das er so gern gemocht hatte. Er konnte sich daran nicht erinnern. Sie allein verwahrte all seine Erinnerungen an seine frühe Kindheit. Sie hatte sie ihm entrissen. Ein Zauber, den sie von Matha Naht gelernt hatte.
    All ihre Traurigkeit legte sie in die Melodie, ließ all ihren Schmerz durch ihre Stimme fließen. Dann kamen die Worte. Ungewollt.
    Schattenweber,
Träumegeber,
wandern durch die Nacht.
    Ein Geräusch schreckte sie auf. Ein leises Flattern. Der Vogel! Er war nie weit fort von der Weißen Halle. Aber wie war er hierhergelangt? War er wieder von Nandalee besessen?
    Die Misteldrossel ließ sich auf einem der Bettpfosten nieder, und Gonvalon drehte ihr den Kopf zu. Es war das erste Mal, dass er sich aus eigenem Antrieb bewegte, seit sie ihn gefunden hatte. Auch sein Blick hatte sich verändert.
    Eine einzelne Träne rann über seine Wange.

    Â»Nandalee«, sagte sie leise. »Nan…«
    Er zuckte zusammen wie unter einem plötzlichen Krampf. Seine Lippen zitterten und blieben doch unfähig, ein Wort zu bilden.
    Â»Nandalee!«, sagte sie jetzt lauter, drängender. »Erinnerst du dich? Du hast sie geliebt. Erinnere dich!«
    Gonvalon wandte den Kopf ab und blickte wieder auf die schneeweiße Decke. Auf das Fußende.
    Â»Bitte, Gonvalon. Du darfst Matha Naht nicht glauben. Sie täuscht dich!«
    Er reagierte nicht, hatte sich wieder ganz in sein sprachloses Starren zurückgezogen.
    Â»Nandalee.« Sie versuchte erneut, mit dem Zauber dieses Namens den Bann zu brechen. Dem einzigen Zauber, der ihm nicht schaden würde.
    Â»Du wolltest sie suchen. Erinnere dich! Nandalee! Vielleicht ist sie sogar hier. Sieh ihn an. Sieh den Vogel an. Sie ist zu dir gekommen! «
    Er begann zu zittern. »Sie … Sie ist nicht hier!«
    Lyvianne küsste ihn auf die Stirn. »Komm zurück. Komm zurück und kämpfe! Lass dich nicht besiegen. Nicht durch Trugbilder. «
    Er wandte den Kopf und sah sie an. Hätte ein glühendes Eisen sie berührt, so hätte der Schmerz nicht tiefer sein können als der Schmerz, den ihr dieser Blick bereitete.
    Â»Wie sollte ich je wieder kämpfen – ohne Beine?«
    Lyvianne riss die Decke zurück. »Da sind sie. Sieh sie dir an! Es ist nicht wahr. Sie hat dich getäuscht!«
    Die Beine waren mit Schorf bedeckt. Die Spuren unzähliger Bisse zeichneten die blasse Haut. Aber sein Fleisch heilte gut. Er würde sich wieder ganz erholen. Sein Körper …
    Â»Deck sie wieder zu! Ich kann ihren Anblick nicht ertragen. Bitte deck sie wieder zu.«
    Lyvianne atmete schwer aus. Das war nicht mehr Gonvalon. Matha Naht hatte den Mann, der einmal einer der besten Schwertkämpfer
der Drachenelfen gewesen war, zerbrochen. Er bildete sich ein, ein Krüppel zu sein.
    Nach langem Schweigen nahm sie seine rechte Hand und führte sie hinab zu seinem Bein. »Was fühlst du?«
    Seine Wangenmuskeln zuckten. »Da ist noch der Knochen. Er ist immer noch da! Warum habt ihr die Wunde nicht gut versorgt? Warum …«
    Â»Würden wir das tun? Würden wir dich in die Weiße Halle holen und deine Beinstümpfe nicht gut versorgen?«
    Er sah sie fassungslos an. Tiefe dunkle Ränder lagen unter seinen Augen. Kleine Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. »Ich kann es doch fühlen …«
    Â»Matha Naht hat dich mit einem Gespinst trügerischer Zauber umwoben. Du bist nicht schwer verletzt. Nur deine Seele …«
    Â»Aber ich kann meine Beine nicht mehr spüren«, begehrte er auf. »Sie sind … Wenn ich dort hinsehe, dann sind da nur noch

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