Drachenelfen
Herzschlag, dann schwang er die Beine über den Bettrand, stützte sich auf sie und richtete sich auf. Seine Beine knickten weg und er fiel ihr in die Arme.
»Ich fühle den Boden nicht.«
Er sagte das ganz nüchtern. Wenigstens jammerte er nicht mehr.
»Du wirst neu laufen lernen. Du wirst lernen, damit zu leben. Du bist Gonvalon. Dein Name ist Legende. Du gibst nicht auf.«
»Nandalee â¦Â« Er blickte zum Fenster. »Sie ist irgendwo dort drauÃen. Ich werde sie finden.« Er versteifte sich und streckte die Arme aus, um die Balance zu halten. »Ich werde sie finden«, sagte er noch einmal mit Nachdruck. Und dann ging er vorwärts. Einen kleinen, einen winzig kleinen Schritt.
Lyvianne lächelte. Kämpfe, mein Sohn, dachte sie. Kämpfe!
A US DER BALANCE
Talawain legte die siebzehnte Blüte in den Bach. Kreiselnd glitt sie im Wasser davon. Der Elf kniete auf einem groÃen Stein am Ufer. Er war allein. Der Palast lag fast einen Tagesritt entfernt. Er straffte sich, drückte den Rücken durch und sah den treibenden Blüten nach. SchneeweiÃ. Vollkommen. Jede einzelne von ihnen. Er hatte Stunden damit verbracht, sie auszuwählen und â sorgsam auf feuchte Seide gebettet â in Spanschachteln zu verpacken, damit sie unbeschadet die Reise hierher überstanden. Er hatte mehr Zeit mit der Auswahl der Blüten verbracht als mit der Auswahl der Haremsdamen für jene verhängnisvolle Reise. Er hatte Mädchen ausgesucht, für die es etwas bedeutete. Die Sehnsucht danach hatten, den Harem für einige Tage zu verlassen. Deren Status dadurch stieg, dass er sie auswählte, zu denen zu gehören, die auf dieser Reise vielleicht eine Stunde mit dem Herrscher verbringen durften. Talawain hatte genau gewusst, dass Aaron keine von ihnen zu sich rufen würde. Er hatte erraten, nach wem sich das Herz des Herrschers verzehrte. Zumindest glaubte er das. Noch hatte er es nicht gewagt, Aaron darauf anzusprechen.
Er war hier, um den unsterblichen Aaron auszuspionieren, rief er sich in Erinnerung. Und eine weitere seiner Aufgaben bestand darin, Schaden anzurichten und Unfrieden zu stiften. Eigentlich sollte er mit dem Ausgang der Reise nach Isatami sehr zufrieden sein ⦠Aber als er die jungen Mädchen aufgereiht im Palasthof
gesehen hatte, hatte er sich schuldig gefühlt. Er hatte sie ausgewählt und in den Tod geführt. Siebzehn Mädchen voller Träume. Ihre Sehnsüchte waren Teil seines zynischen Kalküls gewesen â ganz so, wie es bei Aya gewesen war. Er hatte gewusst, dass ihre Träume sich nicht erfüllen würden. Doch dass es so kommen würde, hatte er nicht ahnen können!
Er war nicht schuldig! Er sollte sich nicht so fühlen. Sollte nicht so sehr seine innere Balance und seinen Abstand verloren haben. Er war dazu ausgebildet worden, so etwas abzutun. Er sollte das abstreifen können, indem er einige Stunden in seinem Garten verbrachte. Einige Ãste stutzte oder hochband, um den Garten weiter zu vervollkommnen â¦
Aber das hatte er diesmal nicht getan. Stattdessen hatte er seinen Garten verwüstet. Ihn seiner schönsten Blüten beraubt. Das sollte mir eine Warnung sein, dachte er.
Der Garten war ein Spiegel seiner Seele. Innere Harmonie, eine der kostbarsten Blüten. Es war nicht angemessen, Rachegedanken wegen einiger toter Menschenkinder zu hegen. Wer waren sie schon? Die Brut der Devanthar! Der Erzfeinde.
Die siebzehn Blüten waren in der Ferne verschwunden. Fortgerissen vom Fluss des Schicksals, so wie die Mädchen. Auch er sollte einfach verschwinden. Er war zu lange an Aarons Hof. Er hatte den Abstand verloren.
Talawain wusste, dass die Drachen ihm nicht gestatten würden, zur Blauen Halle zurückzukehren. Alles einfach aufzugeben. Er war zu weit aufgestiegen.
Dem Elfen war auch bewusst, dass ihm dieser Umstand bald zum Verhängnis werden musste. Er verkehrte zu nahe bei den Devanthar. Es war ein Wunder, dass er noch nicht entdeckt worden war. Und Wunder währten nicht ewig ⦠Wie alle, die die Blaue Halle verlieÃen, war er darauf vorbereitet, wie er sich den Befragungen entziehen konnte. Noch nie hatte einer von ihnen etwas verraten, und der Tod schreckte ihn nicht. Nur die überaus unästhetische Art seines Ablebens war ihm ein Gräuel. Die Menschenkinder,
die es mit ansehen mussten, würden es bis ans Ende ihrer Tage nicht vergessen. Aber das war kein
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