Drachenelfen
würde er mitkommen, dachte Artax. Er war neugierig auf diese Welt. Und auch auf jene, deren Leben es war, auf Nangog hinabzublicken. Vielleicht gab es niemanden, der diese Neue Welt so tief verstand wie die Lotsen der Wolkenschiffe. Sie sollten ihr Wissen verbreiten, statt sich in einer geheimen Loge zusammenzutun.
Der Unsterbliche schlich zum Ankerturm des Totenschiffes. Am Fuà des Turms waren nirgendwo Wachen zu sehen und so begann er mit dem langen Aufstieg. Ob Shaya wirklich auf ihn warten würde? Ihm gingen die Worte des alten Lotsen durch den Kopf. Ihr wisst, diese Welt ist nicht für Liebe erschaffen!
Artax wusste, dass hier auf Nangog so gut wie nie Kinder gezeugt wurden. So selten, dass es dafür keine andere Erklärung geben konnte als die, dass sich die Welt selbst gegen sie wehrte. Sie wollte keine Menschen auf sich tragen. Gleichzeitig veränderte sie das Gemüt. Wer hierherkam, wurde friedlicher. Krieger mussten nach spätestens zwei oder drei Jahren ausgetauscht werden. Er war den Ankerturm vielleicht fünfzig Schritt weit hinaufgestiegen und verharrte kurz, um den Ausblick auf sich wirken zu lassen. Nichts auf ihrer Heimatwelt Daia kam dieser Stadt auch nur annähernd gleich. Tausende Lichter funkelten im Dunkel. In schäbigen Gassen und an den breiten Prachtalleen. Wie gefrorene Wolken schwebten die gewaltigen Himmelsschiffe an ihren Ankerplätzen,
getragen von jenen rätselhaften Kreaturen, die untrennbar mit den Schiffen verbunden waren und friedlich durch Nangogs Himmel trieben. Die Wolkensammler griffen Menschen nicht an, und doch hatte die Kreatur, die über ihm schwebte, eine ganze Schiffsbesatzung ausgelöscht. Niemand hatte bisher eine Erklärung gefunden, warum das geschehen war, oder wie. Er musste verrückt sein, sich ausgerechnet hier mit Shaya zu treffen. Falls sie denn verstanden hatte, was er mit seinem Rätselspruch gemeint hatte. So müssen wir uns wohl fügen, dass die glückselig machende Erkenntnis so weit von uns entfernt ist wie die Monde um Mitternacht von der fernsten Wurzelspitze. Ihm selbst erschien der Satz nun gestelzt und unverständlich. Er hatte so sein müssen, damit die Umstehenden nicht errieten, welche geheime Botschaft er enthielt. Für ihn wäre die glückselig machende Erkenntnis die Antwort auf die Frage, ob er auf ihre Liebe hoffen durfte. Die Monde um Mitternacht war eine Angabe über die Zeit, wann er sie zu treffen hoffte. Nämlich um Mitternacht. Und die fernste Wurzelspitze gab in Verbindung mit dem Gespräch über das verfluchte Wolkenschiff den Ort an, an dem er auf sie warten würde. Die Lotsenkanzel unter dem Rumpf des Schiffes. Jener Ort, zu dem die fernsten Wurzelspitzen des Lebenden Baums hinabreichten, der auf dem Wolkenschiff wuchs und dessen Wurzelwerk das Holz durchzog, wie die Wurzeln anderer Bäume ins Erdreich drangen. Aber hatte sie das verstanden? SchlieÃlich war sie nur eine Kriegerin aus einem Barbarenvolk!
Wieder blickte Artax auf die Stadt. Jedes der sieben groÃen Reiche hatte hier versucht, sein Bestes zu geben. So vieles wäre möglich, wenn es nicht Männer wie Muwatta gäbe. Warum duldeten die Devanthar ihn? Welchen Zweck erfüllte er? Welcher unbekannte Zweck war ihm beschieden, dachte er verzweifelt. Es war müÃig, die Gedanken von Göttern verstehen zu wollen!
Er lauschte auf das Klappern und Plätschern der riesigen Holzräder, die das Wasser dem Gipfel entgegenhoben. Dies war die Melodie der Goldenen Stadt. Das Geräusch, das niemals verstummte
und sie von allen anderen Städten unterschied, die er je betreten hatte. Stunden schwieg er, was ein seltenes Glück war. Fast war er ihm dankbar dafür.
Jenseits der Kanäle flackerte ein grünes Licht auf. Einen Lidschlag lang nur. Ein Schaudern überlief Artax. War es einer jener Geister, die in dem dunklen Tal nahe seinem Heimatdorf wüteten? Er kniff die Augen zusammen, spähte in die Ferne und tastete unwillkürlich nach seinem Gürtel. Da war kein Schwert. Nicht einmal ein Dolch. Zu diesem Treffen hatte er nicht mit einer Waffe kommen wollen. Schon gar nicht mit dem Schwert â schon gar nicht mit seinem Schwert. Nur selten dachte er an das unheimliche grüne Licht, das um die Klinge gespielt hatte, als er den Anführer der Piraten tötete. Er hatte die Erinnerung tief in sich vergraben wie auch die Erinnerungen an das dunkle Tal. Andere hingegen
Weitere Kostenlose Bücher