Drachenelfen
trugen die Geschichte weiter. Gegen seinen Willen und doch war er machtlos, es zu unterbinden. Er hatte es nicht einmal versucht. Von Juba wusste er, dass jener Name, den Volodi ihm auf Kyrna gegeben hatte, längst in aller Munde war, obwohl man sich hütete, ihn in seiner Gegenwart auszusprechen. König Geisterschwert.
Ob der Name schon bis zu Shaya vorgedrungen war? So wollte er nicht vor sie treten. Nicht als der Unsterbliche, als der von den Göttern Erwählte, dessen Macht keine Grenzen kannte. Er wollte Artax sein. Der Bauer! Der, der nichts zu vergeben hatte, auÃer seinem Herzen. Der, bei dem man sich nichts erhoffen konnte, auÃer aufrichtiger Liebe.
Er erwartete eine spöttische Bemerkung, doch Aaron schwieg noch immer. Lag es vielleicht daran, wie er aussah? Alle Insignien seiner Macht hatte er im Palast zurückgelassen, trug lediglich eine einfache Tunika und ein Paar abgewetzter Sandalen, die er einem seiner Diener gestohlen hatte. Nichts von dem, was er am Leibe trug, war für den Unsterblichen erschaffen worden. Wenn er sich von allen ÃuÃerlichkeiten seines Amtes trennte, wurde er dann auch seinen Quälgeist los? War er vielleicht an die Dinge gebunden, die einst Aaron gehört hatten? Er würde dem nachgehen, sobald
er in den Palast zurückkehrte. Aber jetzt sollte seine neue Freiheit allein Shaya gehören. Wenn sie denn kam.
Sein Herz schlug schneller, als er zu dem mächtigen Wolkenschiff emporblickte. Wartete sie dort? Sie hatte ihm kein Zeichen gegeben, dass sie ein Treffen mit ihm wünschenswert fand. Sie hatte es auch nicht gekonnt! Nicht am Hof des Statthalters unter einem Dutzend neugieriger Augenpaare. Er sah zu der Kanzel des Lotsen, die wie ein groÃer schwarzer Edelstein aus dem Rumpf des Wolkenschiffes wuchs. Kein Licht war dort. Nichts wies darauf hin, dass sie gekommen war. Ein Seil hing in weitem Bogen von dort herab. Es war an einem der zahllosen Holzpfosten vertäut, die wie Stacheln seitlich aus dem Ankerturm wuchsen. Eines von gewiss hundert Seilen. Ob es oben an Deck Wachen gab? Artax wusste, dass dieses Wolkenschiff unter den Ischkuzaia als verflucht galt. Es würde schwer sein, Männer zu finden, die eine Nacht an Bord durchstehen würden. Selbst unter den tapfersten Kriegern.
Artax dachte an den weiten Saal voller Toter, den er dort vor mehr als zwei Jahren entdeckt hatte. Er schluckte. Das Wolkenschiff war wahrlich kein romantischer Ort für ein Stelldichein, aber nirgends sonst in der Goldenen Stadt durften sie beide auf ein paar ungestörte Stunden hoffen. Es brachte nichts, seine Zeit mit endlosem Grübeln zu verbringen! Entschlossen stieg er die breite AuÃentreppe des Ankerturms empor, bis er jene Leine erreichte, die zur Lotsenkanzel führte. Beklommen blickte er in die Tiefe. Weit unter ihm leuchtete das Zelt der Lotsen wie eine Laterne, die ein Riese zwischen den Ankertürmen abgestellt hatte.
Artax packte den rauen Hanf des Seils, streckte sich und lieà die Sicherheit der steinernen Stufen hinter sich. Er hakte seine Fersen über das Seil und zog sich Hand um Hand vorwärts. Bald begannen die Muskeln in seinen Armen zu brennen. Er hatte sich verschätzt, wie viel Kraft diese Kletterei kostete. Einmal mehr drehte er den Kopf, hin zur Lotsenkanzel. Sie war noch mehr als zehn Schritt entfernt â und er hing kopfüber im Nichts! Wenn jetzt
einer der Lotsen das Zelt verlieà und nach oben blickte ⦠Artax presste die Lippen zusammen. Es brachte nichts, sich auszumalen, was alles passieren mochte. Er könnte auch einen Krampf bekommen und ⦠Er lachte zynisch. Schwarzzusehen war ohne Zweifel eines seiner groÃen Talente. Entschlossen zog er sich weiter das Seil entlang. Hand über Hand. Er blickte nicht mehr nach unten. Nicht mehr zur Kanzel. Es gab nur noch ihn und das Seil und den brennenden Schmerz in seinen Armen. Weiter! Weiter ⦠Sein Kopf stieà gegen die Scheibe der Kanzel. Er konnte spüren, wie das Glas zurückschwang. Jemand packte ihn unter den Armen und zog ihn in die Lotsenkanzel.
»Du kletterst wie einer der Baummänner.«
Artax hätte die Stimme unter Tausenden erkannt. Dankbar und ungläubig zugleich blickte er zu Shaya auf. Ihr Gesicht war kaum mehr als ein Schattenriss in der Dunkelheit. Er wollte etwas Geistreiches antworten ⦠Den ganzen Abend über war er in Gedanken immer wieder diesen Augenblick durchgegangen, hatte sich
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