Drachenelfen
verwundert an. Das bevorstehende Massaker schien sie nicht zu berühren. Wie konnten ihr Tausende, die sterben würden, egal sein? Zum ersten Mal wünschte er sich, sie hätte mehr von der Almitra seiner Träume. Almitra hätte sich mit ihm an den Esstisch ihres Bauernhauses gesetzt und die ganze Nacht mit ihm gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Aber war es gerecht, Shaya an einer Traumfrau zu messen? Er versuchte seine Enttäuschung zu überspielen und nahm ihre Hände. »Ich werde zu dir zurückkommen. Ganz gleich, ob die Götter unsere Liebe verbieten!«
Sie lächelte. »Ich weiÃ, denn du bist unvernünftig. Und genau das liebe ich an dir.«
S CHULDEN
Volodi blickte zum Horizont, wo die Abendsonne in einem Himmel aus Blut versank. Fünf Tage hatten sie im Wald bei der Kristallhöhle warten müssen, bis ein Wolkenschiff erschienen war, um sie zu holen. Es war eines der kleinsten Himmelsschiffe des Unsterblichen gewesen. Eines, das kein Aufsehen erregte, wenn es die Goldene Stadt verlieÃ, um zu einer vermeintlichen Patrouillenfahrt aufzubrechen. Dennoch bot es unendlich mehr Luxus
als die Kähne, auf denen sie vorher über den Himmel gezogen waren. Es gab groÃe Mannschaftsquartiere, keiner musste an Deck schlafen und das Essen war gut. Dennoch blieb die Stimmung an Bord bedrückt. Sie waren zwar froh, noch am Leben zu sein, aber das Gefühl der doppelten Niederlage lieà sie nicht los. Besiegt von den Piraten und von den Daimonenkindern. Trotz ihrer zahlenmäÃigen Ãberlegenheit!
Sie alle waren auserwählte Krieger, bewährt in Dutzenden Kämpfen. Aber was zählte das, wenn sie gegen Ungeheuer und Daimonen antreten mussten? Und sie alle ahnten, dass es solche Kämpfe in Zukunft erneut geben würde. Die Daimonen waren Späher gewesen; weitere ihresgleichen würden folgen. Ja, dachte Volodi, die blutroten Wolken am Himmel waren ein Spiegelbild ihrer Zukunft. Die Himmel und Wälder Nangogs würden in Blut getränkt werden. Er seufzte. Im Grunde war es müÃig, sich über eine Zukunft den Kopf zu zerbrechen, die er ohnehin nicht ändern konnte.
Seine Gedanken schweiften zu Quetzalli. Er konnte sie einfach nicht vergessen und er wollte nicht glauben, dass sie ihn auf einen Opferstein gezerrt hätte. Sie war so herrlich anders gewesen als alle Frauen, die er kannte. War auf ihn zugegangen, hatte ihn begehrt, und dann hatten sie einander bis zur Bewusstlosigkeit geliebt. Das war doch prima, dachte Volodi. So erfrischend einfach und geradeaus und ohne dieses ständige Gerede. Dass sie ihn wollte, nein, das war sicherlich nicht vorgespielt gewesen. Ebenso wenig wie ihre Liebe zu ihm. Wenn sie einander doch noch einmal wiedersahen, würde er gleich einen Ãbersetzer dazu holen â nur am Anfang und nur, um ein paar Dinge zu klären.
Volodi dachte an Mitja. Er hatte dem Ãbersetzer kein Glück gebracht. Ob sich das auf dem Platz der tausend Zungen herumsprechen würde? Würde er jemals wieder einen Ãbersetzer finden, der für ihn arbeiten wollte? Mitja hatte seinen Platz auf den kleinen Wolkensammlern der Ischkuzaia seiner Tochter überlassen.
Während Juba das Mädchen mit Gewalt in ihr Fluggeschirr hatte schnallen lassen, war der Ãbersetzer zu ihm, Volodi, gekommen. Er hatte ihm erneut das Versprechen abgenommen, sich um das Mädchen zu kümmern und Kolja von ihr fernzuhalten, und er hatte zugesagt. Aber das Mädchen wollte nichts von ihm wissen. Sie gab ihm die Schuld am Unglück ihres Vaters. Verübeln konnte er ihr das nicht. Wieder seufzte er, denn er wusste beim besten Willen nicht, was er mit ihr anfangen wollte. Im Palast bleiben wollte sie nicht, aber in der Goldenen Stadt konnte er sie kaum beschützen.
»Hochnäsiges Arschloch verdammtes â¦Â« Kolja kam zu ihm herüber, lehnte sich an die Reling und spuckte über Bord.
Volodi kam eine Ablenkung von seinen düsteren Gedanken gerade recht. Kolja war im Moment zwar keine gute Gesellschaft, aber immer noch besser als gar keine Gesellschaft. Es ging seinem Kameraden nicht gut. Er war schwach und ein schleichendes Fieber zehrte an ihm. Koljas Verband war von Blut durchtränkt. Die Wundnähte an seinem Armstumpf öffneten sich immer wieder. Bislang hatte noch kein Heilkundiger danach gesehen. Es gab keinen hier an Bord. Ebenso wenig wie es einen im Wald gegeben hatte. Es war Volodi gewesen, der die
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