DRACHENERDE - Die Trilogie
tiefste Sehnsucht, die bisher scheinbar im Widerspruch lagen, gleichermaßen zu verfolgen.“
Rajin wandte sich an Liisho. „Es würde noch Monate der Übung brauchen, bis ich genug Kraft hätte, um den Drachenbasalt zu spalten. Vielleicht ein Jahr, bis ich stark genug wäre, um dem Urdrachen zu begegnen.“
„Das ist Spekulation“, sagte Liisho ausweichend.
„Aber das eine gewisse Zeit verstreichen würde, kannst du nicht abstreiten. Wertvolle Zeit, die in dieser Lage, da die fünf Reiche aufeinander losgehen und das alte Gleichgewicht zerbricht, nicht ungenutzt verstreichen darf. Du selbst hast mir doch immer klarzumachen versucht, dass man nicht warten darf, ehe der Urdrache sich wirklich erhebt und eine Katastrophe ungeahnten Ausmaßes hereinbrechen lässt.“
„Das mag schon sein“, gestand Liisho ein und fixierte dabei den Magier mit seinem Blick. „Doch auch wenn das Angebot des Großmeisters sehr großzügig klingt …“
„Eure Verbündeten sind nicht so zahlreich, dass Ihr sie Euch aussuchen könntet“, fuhr Abrynos dazwischen, wobei seine Miene einen harten Zug und seine Stimme einen scharfen Unterton annahm.
„Mir gefällt das Angebot dennoch nicht!“
„Sprecht Ihr etwa deswegen dagegen, weil Ihr Euch selbst vor langer Zeit in das Land der Leuchtenden Steine begeben habt, um deren mysteriöse Kraft zu erforschen?“, fragte Abrynos lauernd. „Kann es sein, dass Ihr nur deshalb so ängstlich seid, weil Ihr selbst damals vor dem entscheidenden Schritt zurückschrecktet?“
„Was redet Ihr da!“, entfuhr es Liisho.
„Bei allem Respekt, Meister Liisho, aber Ihr solltet Euch das Urteilsvermögen für die Fragen der Gegenwart bewahren und es nicht durch die Schatten der Vergangenheit trüben lassen. Niemand weiß, wie Ihr es geschafft habt, Eure Lebensspanne so weit auszudehnen, dass Ihr inzwischen ein Alter erreicht haben müsst, dass jedes natürliche Maß sowohl unter Menschen als auch Magiern überschritten hat. Aber Ihr könnt nicht im Ernst glauben, dass eine Reise, die Ihr in Eurer Jugend unternahmt, deswegen der Vergessenheit anheim fiel, nur weil niemand mehr lebt, der sie bezeugen könnte.“
„Spricht Abrynos die Wahrheit?“, fragte Rajin und wandte sich seinem Mentor zu. „Bist du schon in der Gegend von Ktabor gewesen?“
„Ja, er spricht die Wahrheit“, gab Liisho zu. „Und deswegen weiß ich besser als jeder andere um die Gefahren.“
„Gefahren, vor denen du mich bewahren wirst, Liisho“, sagte Rajin. „Was auch immer du damals in deiner Jugend für Fehler gemacht haben magst, wir werden sie auf unserer Reise nicht wiederholen.“
„Der größte Fehler war es, diese Reise damals überhaupt anzutreten“, erklärte Liisho. „Aber deinen Worten entnehme ich, dass du dich bereits entschieden hast.“
„Ich bin Prinz Rajin, der zukünftige Herrscher über Drachen und Menschen des Drachenlandes. Steht es mir nicht zu, die Entscheidung zu treffen?“
„Doch, gewiss.“ Liisho neigte leicht den Kopf nach vorn, vielleicht die Andeutung einer Verbeugung.
Rajin wandte sich erneut an Abrynos. „Richtet Eurem Herrn aus, dass wir uns zu ihm auf den Weg machen und sein großzügiges Angebot annehmen werden.“
„Das wird Komrodors Herz erfreuen“, sagte Abrynos und deutete ebenfalls eine Verbeugung an. Doch auch bei ihm wirkte die Geste nicht wirklich echt, sondern eher ironisch gemeint. Jedenfalls konnte sich Rajin dieses Eindrucks nicht erwehren.
Er ignorierte das Gefühl und sagte: „Es ist ein weiter Weg bis Magus.“
„Wählt den Weg durch Tajima“, riet Abrynos. „Das Luftreich verbündet sich gerade mit den Seemannen, und man wird Euch im Zweifelsfall schon deswegen helfen, weil man sich von Eurer Rebellion eine Schwächung des Drachenlandes erhofft.“
„Wir werden Euren Ratschlag überdenken“, versprach Rajin.
„Großmeister Komrodor erwartet Euch in Magussa“, sagte Abrynos, dann fügte er hinzu: „Leider gibt es für einen Schattenpfadgänger keine Möglichkeit, sich von jemand anderen auf seinem dunklen Weg begleiten zu lassen, sodass ich Euch die beschwerliche Reise mit meiner Magie nicht ersparen kann.“
„Das ist mir bewusst.“
„So verabschiede ich mich nun von Euch.“
„Eine Frage müsst Ihr mir noch beantworten“, sagte Rajin schnell.
„Eine Frage – aber nicht mehr!“
„Auf dem magischen Pergament war das Gesicht eines etwa zehnjährigen Jungen zu sehen …“
„Das Gesicht Eures Sohnes. Solltet Ihr es
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