DRACHENERDE - Die Trilogie
durchgeführt werden, sofern kein Geistlicher zur Verfügung stand.
In diesem Fall kam Ganjon diese rolle zu, dem Hauptmann der Ninjas. Er sprach die entsprechenden Gebete mit große Selbstverständlichkeit, obwohl ihm als gebürtigem Seemannen der Glaube an den Unsichtbaren Gott nun wirklich nicht in die Wiege gelegt worden war. Aber ganz gleich, wie lebendig in seinem Herzen noch die Verehrung für Njordir und die anderen Götter der Seemannen sein mochte – es gehörte einfach zu den traditionellen Aufgaben eines Ninja-Hauptmanns, dies für die Männer seiner Einheit zu tun.
In der Nacht schlief Rajin schlecht. Wirre Träume suchten ihn heim, und schließlich weckte ihn ein Schmerz in der mit dem Schlüssel des Geistes verschmolzenen Hand. Das vorletzte Fünftel der Nacht hatte begonnen, und der Augenmond stand im Zenit. Rajin bemerkte, dass einige der kleinen, höchstens fingerkuppengroßen leuchtenden Steine, die überall auf dem Boden lagen, besonders hell erstrahlten. Der Großteil hatte die rote Farbe des Blutmondes, und ein kleinerer Anteil war so blau wie der riesige blaue Felsen, um den sich die Fünfhornbisons versammelt hatten.
Als Rajin sich mit dem Schlüssel des Geistes einer gemischten Ansammlung von Steinen näherte, verstärkte sich deren Leuchtkraft noch einmal; die Steine schienen förmlich aufzuglühen. Vielleicht hingen die Schmerzen, die er hatte, mit dieser Wirkung zusammen.
Rajin stellte fest, dass Liishos Schlafplatz leer war. Seine Decke lag einfach zur Seite geschlagen am Boden. Vielleicht war der Weise bei den Drachen, vermutete Rajin. Er begab sich ebenfalls zu den Tieren, denn er war zu aufgewühlt, um schlafen zu können.
Die Drachen schliefen zwar, machten aber dennoch einen sehr unruhigen Eindruck. Sie stießen teils brummende, teils beinahe wimmernde Laute aus, als ob auch sie unter unruhigen Träumen litten.
Rajin umrundete die schlummernden Drachenleiber und fand Liisho, das Gesicht zum Augenmond gerichtet. Er murmelte etwas. Worte, die zu leise gesprochen wurden, als dass Rajin sie hätte verstehen können.
Was hatte das zu bedeuten? Rajin erinnerte sich an jene Nacht in Capana, als er geglaubt hatte, einen Schattenpfadgänger gesehen zu haben und Liisho davon angeblich nichts bemerkt hatte. War der Weise damals ebenfalls so in sich versunken gewesen? Auch in Capana war es die Stunde des Augenmond-Zenits gewesen, rief sich Rajin ins Gedächtnis. Die Residenz des Traumhenkers und Todverkünders schien den Weisen auf eine Weise zu faszinieren, die den jungen Prinzen irritierte.
Liisho breitete die Arme aus. Seine Handflächen zeigten in Richtung des sandfarbenen Augenmondes. Als ein Schwall heiße Luft zischend aus Ayyaams Nüstern schoss, drehte sich Liisho herum. Rajin stand da und erwiderte den Blick seines Mentors.
Für Augenblicke sagte keiner von ihnen ein Wort, aber für Rajin hatte erkannt, dass sich sein Gegenüber zutiefst erschrocken hatte.
Dann entspannte sich Liishos Körperhaltung. Er kam auf Rajin zu und sagte: „Du findest keinen Schlaf, Rajin?“
„Nein. Es sind zu viele Gedanken und zu wirre Träume, die mich quälen.“
„So geht es dir wie mir.“
„Kann man vom Herrn des Augenmondes Erleichterung erwarten, oder ist er die Ursache des Übels?“, fragte Rajin.
Das Gesicht des Weisen Liisho zeigte ein gequältes Lächeln. „Träume können viele Ursachen haben, aber in diesem Fall sehe ich sie eher bei der Strahlung der leuchtenden Steine, die es in diesem Land in so großer Zahl gibt.“ Er legte Rajin eine Hand auf die Schulter. „Du wirst jedes bisschen Kraft noch dringend brauchen, also ist es das Beste, wenn du die letzten Stunden der Nacht zu schlafen versuchst.“
Im Morgengrauen flogen sie weiter. Die Drachen waren dabei widerspenstig wie selten. Sie scheuten davor zurück, weiter in das Land der Leuchtenden Steine vorzudringen.
Aber Rajin und Liisho zwangen ihre jeweiligen Reittiere unter ihren Willen. Noch waren sie zu weit von Ktabor entfernt, als dass Rajin den letzten Teil des Weges hätte zu Fuß zurücklegen können.
Das Land wurde immer unfruchtbarer und karger. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel und erzeugte zusammen mit der Strahlung der leuchtenden Steine ein bizarres Zwielicht.
Während des Drachenflugs sah Rajin schlangengleiche Erdwürmer aus dem trockenen, teilweise sandigen Boden hervorkriechen, die von demselben Leuchten wie die Steine erfüllt waren. Sie krochen zu größeren Gesteinsbrocken und
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