DRACHENERDE - Die Trilogie
ohne die Hilfe der Meister des Geistes das zu bekommen, was ich so sehr begehrte. Und dabei bin ich beinahe gestorben. Ein paar Rituale, mit deren Hilfe sich die Kräfte der Leuchtenden Steine beschwören lassen, hatte ich mir angeeignet, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, womit ich da eigentlich spiele. Anschließend verbrachte ich ein ganzes Jahr bei den Meistern des Geistes, die mich pflegten, bis ich von meinem Wahn genas. Ja, meiner Seele vermochten die Meister des Geistes zu heilen, allerdings hatte die Strahlung der Leuchtenden Steine meinen Körper sehr schwer geschädigt und so stark geschwächt, dass kaum jemand geglaubt hätte, ich könnte noch wesentlich älter als dreißig Jahre werden. Ein früh Vergreister bin ich gewesen – und wunderlich wurde ich noch dazu.“
Rajin merkte auf. „Nicht einmal dreißig Jahre – und wie alt bist du jetzt?“
„Ich weiß, dass dir all das seltsam erscheinen muss!“
„Das ist ziemlich untertrieben“, entgegnete Rajin. „Schließlich hat dein Alter inzwischen jedes menschliche Maß gehörig überschritten, aber du wirkst stärker und kräftiger als so mancher Jüngling.“
Liisho sah Rajin an. „Mag sein. So etwas könnte man eine Ironie des Schicksals nennen. Ich war durch eigenes Verschulden ein Gezeichneter, dem ein frühen Tod bevorstand, und bin jetzt doch entgegen aller Erwartung ein alter Mann geworden.“
Mehr wollte Liisho dem jungen Prinzen nicht eröffnen. Er erhob sich und sagte: „Ich werde mich jetzt zur Ruhe begeben.“
Damit ging er.
Am nächsten Tag erreichten sie bereits die große Hochebene, die den Hauptteil des Gebietes ausmachte, den man als das Land der Leuchtenden Steine bezeichnete.
Hier und dort sah man einige dieser kristallartigen Gebilde einfach auf dem harten, ausgetrockneten Boden liegen. Sie schimmerten manchmal grünlich, manchmal rot wie der Blutmond oder blau, so als wären sie kleine Zwitter des Meermondes.
Sie gerieten auf ihrem Flug in die Nähe einer Felsformation, die blau erstrahlte, und da die Drachen davor zurückscheuten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als einen weiten Umweg zu nehmen. Eine gewaltige Herde achtbeiniger Fünfhornbisons, aus deren Haut man in Magus magische Pergamente machte, hielt sich um diese blauen Felsen herum auf, obwohl es dort so gut wie kein Gras oder anderen Pflanzenbewuchs gab. Es waren Tausende von Tieren, jedes von ihnen gut zwei Mannlängen hoch und fünf lang.
Später am Abend, als sie wieder am Feuer saßen, erklärte Liisho, was es damit auf sich hatte. „Diese Tiere brauchen nur äußerst wenig Futter“, sagte er. „Es sind die Kräfte in den Leuchtenden Steinen, die sie am Leben halten. Sie versammeln sich in ihrer Nähe und lassen sich anstrahlen. Nur sehr selten ziehen sie los, um etwas Gras zu fressen, vielleicht ein oder zweimal im Jahr.“
„Mehr Gras findet man hier ja auch kaum noch“, erwiderte Rajin. „Der Boden gleicht dem einer trockenen Halbwüste.“
„Und doch lebt hier eine Vielzahl von Geschöpfen, von denen man annimmt, dass das Licht der Leuchtenden Steine für ihre besonderen Eigenschaften verantwortlich ist“, fuhr Liisho fort.
„Zumindest können wir auf diese Weise sicher sein, dass wir selbst und die Drachen immer genügend Fleisch zu essen bekomme“, mischte sich Ganjon ein.
„Den Verzehr dieser Tiere kann ich niemandem empfehlen!“, widersprach Liisho. „Auch keinem Drachen. Denn ihr Fleisch ist verseucht mit der Kraft der Leuchtenden Steine, und die kann tödlich sein oder Wahnsinn auslösen, wie ich selbst habe erfahren müssen.“ Liisho nahm ein paar der kleinen Steine auf, die überall am Boden lagen. „Noch überwiegen die rot und blau leuchtenden Steine“, sagte er. „Wenn wir uns Ktabor nähern, werden fast nur grün leuchtende zu finden sein. Und ab dort wird es fast unerträglich werden.“ Liishos Gesicht wurde sehr ernst, als er den Kopf hob und Rajin ansah. „Ich weiß nicht, ab wann du allein weiterziehen musst, aber ich werde versuchen, dich soweit wie möglich zu begleiten. Und ich denke, das gilt auch für jede anderen hier.“
Für die Gefallenen der bisherigen Kämpfe wurde eine kleine Trauerfeier nach dem Ritus des Unsichtbaren Gottes abgehalten. Während nach der in Tajima herrschenden Konfession des Priesterkönigs zwingend die Anwesenheit eines Priesters nötig gewesen wäre, konnte ein Totenritus nach Lesart der in Drachenia verbreiteten Kirche von Ezkor auch von Laien
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