DRACHENERDE - Die Trilogie
und die alles entscheidende Frage für Rajin war im Augenblick, welchen Einfluss das womöglich auf Nyas Seele und ihren Körper hatte. War sie dadurch endgültig getötet worden? Hatte der Angriff der Schatten dazu geführt, dass der Traumhenker das lose Band, das noch zwischen ihrer Seele und ihrem Körper bestanden haben mochte, endgültig und für alle Zeiten getrennt hatte, sodass es unmöglich war, sie in ihr altes Leben zurückkehren zu lassen?
„Ihr wollt mir also sagen, dass ich meine Hoffnungen begraben soll“, stellte Rajin fest.
„Wendet Euch der Gegenwart zu und behaltet die Entschlummerten in liebevollem Gedenken. Ihr werdet eine andere Frau finden und weitere Söhne zeugen, die Euch über den Verlust hinweghelfen – auch wenn sie ihn gewiss nicht vergessen machen werden.“
Rajin schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er. „Ich glaube nicht, dass Ihr recht habt!“
„Ihr habt mich nach meiner Meinung als Priester der Kirche von Ezkor gefragt. Als Mensch verstehe ich sehr gut, dass Ihr Euch eine andere Antwort zu hören erhofftet. Aber Gott erfüllt uns nicht alle Wünsche, und manchmal enthält er uns deren Erfüllung sogar bewusst vor, um uns zu prüfen.“
„Und Ihr denkt, dies wäre meine Prüfung?“
„Ist dies so abwegig, o Kaiser?“
„Habe ich nicht genug andere Prüfungen bestanden?“ Er ballte die Metallhand zur Faust und richtete den Blick seiner lodernden Augen auf die Ringe an den bronzefarbenen Fingern. „Ich habe den Urdrachen besiegt und die drei Drachenringe wieder vereint! Ich war im Land der Leuchtenden Steine und bin zurückgekehrt, ohne dem Wahn verfallen zu sein! Ist das nicht genug der Prüfungen?“
„Der Unsichtbare Gott allein bestimmt das Maß, o Kaiser.“
„Dann scheint sich dieser Unsichtbare Gott nicht sehr für Gerechtigkeit zu interessieren“, entgegnete Rajin harsch.
„Gerechtigkeit und Gleichgewicht sind Begriffe der Menschen, o Kaiser. In den Gefilden des Unsichtbaren Gottes haben sie keinerlei Bedeutung. Davon abgesehen mögt Ihr einiges an Prüfungen hinter Euch und gewiss so manches noch vor Euch haben, aber ich bin mir gewiss, dass noch keine dieser Art dabei war.“ Mit diesen Worten deutete er mit einem Nicken auf die junge Frau im durchsichtigen Sarg. „Bedenkt dies, bevor Ihr Euch ein Urteil bildet.“
„Eine letzte Frage habe ich an Euch, Heran-Gon.“
„Nur zu. Ich werde mich nach meinen Möglichkeiten darum bemühen, Euch zu helfen.“
„Es heißt, dass die Vergessenen Schatten die Eigenschaft haben, geliebte Tote zu schänden ...“
„Wie ich schon sagte: Ihr solltet Euch der Gegenwart zuwenden. Dies sind alte, böse Geschichten, die in den Mauern und den Archiven dieses Palastes schlummern und dort am besten begraben bleiben sollten.“
Doch Rajin beachtete den Einwand nicht. „Was tun die Vergessenen Schatten mit den Toten? Was geschieht mit den Seelen?“
„Es gibt nur metaphysische Spekulationen darüber, o Kaiser. Nichts, womit Ihr Euer Gemüt jetzt belasten solltet.“
„Ich muss es wissen, ehrenwerter Palastpriester!“, sagte Rajin mit Nachdruck. „Denn was immer man darunter versteht, genau das ist hier, an diesem Sarg, vermutlich geschehen! Also sagt mir zumindest das, was Ihr darüber gehört oder gelesen habt.“
Die Blicke der beiden Männer begegneten sich. Heran-Gon senkte schließlich den seinen, dann antwortete er: „Es heißt, dass die Schatten die Seelen der geliebten Toten unwiederbringlich zu zerstören vermögen.“
„Das dachte ich mir ...“
„Aber es ist nicht gesagt, dass dies hier passiert sein muss!“
„Gibt es etwas, was man gegen diese Seelenzerstörung tun könnte? Gebete vielleicht? Oder hilft einem der Unsichtbare Gott?“
„Nein, da kann selbst er nicht mehr helfen.“
„So hat also auch die Macht des Unsichtbaren Gottes ihre Grenzen“, stellte Rajin fest. „Es ist gut, dies zu wissen. Doch auch, wenn der, dem Ihr dient, in dieser Sache nichts auszurichten vermag – ich werde nicht aufgeben. Niemals!“
yyyyyyy<<<<<< (Diese Kennzeichnung noch stehen lassen!
Wiian Ko Jharan lag in dieser Nacht in seinem Schlafgemach und wälzte sich immer wieder von einer Seite auf die andere. Mochte sein Körper auch noch so sehr nach Ruhe verlangen, es schien seiner Seele unmöglich, diese zu finden. Albträume plagten ihn, und Bilder aus einer Vergangenheit, die lange vor seiner Zeit lag, erschienen ihm. Er sah die lange Reihe seiner Vorfahren, der Drachenreiter-Samurai
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