DRACHENERDE - Die Trilogie
war.
„Dann erkläre uns, wie es kommt, dass uns das Unglück zweimal in so kurzer Zeit heimsuchte? Seit Menschengedenken sah man keine Drachen mehr über Winterland kreisen – und nun greifen sie ausgerechnet unseren Ort an! Und wenig später werden wir auch noch vom schlimmsten Überfall der Wassermenschen seit langer Zeit heimgesucht, die angelockt wurden von jenem Seemammut, das du erlegt hast! Du bist ein Unglücksbringer, Bjonn Dunkelhaar!“
„Bringt es Unglück, das größte Seemammut zu erjagen, das seit vielen Jahren an den Strand unserer Bucht gezogen wurde?“, fragte Rajin.
Aeriggr schüttelte den Kopf. „Durch deine Beute wurden die Wassermenschen erst angelockt!“
Rajin bemerkte, dass unter den umstehenden Männern zustimmendes Gemurmel aufkam.
Aeriggr trat noch einen Schritt auf ihn zu und fuhr fort: „Ich weiß nicht, was es ist, das den Göttern an dir nicht gefällt, und was sie gegen dich und alle, die in deiner Nähe sind, aufgebracht hat – aber die Tatsachen kann niemand anzweifeln.“ Er drehte sich zu Wulfgar herum. „Ich habe dir schon vor Jahren gesagt, was du mit diesem Bastard hättest tun sollen: ihn ins Meer werfen – dorthin, wo er herkam! Mag Njordir sich an ihm verschlucken!“
„Das reicht!“, rief Wulfgar und trat heran. „Wenn du dich mit jemandem anlegen willst, dann mit mir – nicht mit meinem Sohn, der gerade erst zu einem vollwertigen Seemammutjäger herangereift ist!“
„Nur zu, ich schlage dir mit der Axt gern den Schädel ein!“, entgegnete der Wilde Aeriggr. „Offenbar gebrauchst du deinen Kopf ohnehin nur sehr selten, sonst würdest du die Hexenmacht dieses Meeresbalgs erkennen!“ anklagend richtete er den Finger auf Rajin. „Die Drachen waren seinetwegen hier – und die Wassermenschen bestimmt auch! Das kann ein Mann wie du doch nicht leugnen, Wulfgar! Bei deinem Urahn, den wir alle Eishaar nennen – so dumm und einfältig kann man doch nicht einmal in deiner Sippe sein!“
„Dumm und einfältig?“, polterte Wulfgar und hatte die Hand bereits am Schwertgriff. „Wir können das gern mit der Klinge austragen!“
„Schluss jetzt!“, mischte sich Tjoerk Schädelspalter ein. Der Langschiffkapitän hatte eine so dröhnende Stimme, dass sie die beiden Kontrahenten zunächst verstummen ließ. Tjoerk drängte sich zwischen sie. Kaum einer der anderen Männer wäre mutig genug gewesen, um das zu wagen. „Wir haben einen schwer erkämpften und hoch bezahlten Sieg errungen“, erinnerte er die beiden Gegner an das, was gerade geschehen war. „Soll es jetzt noch einen weiteren Toten geben oder sogar ein Kampf unter den Sippen entbrennen, nur weil zwei Kapitäne in Streit geraten?“ Er wandte sich Aeriggr zu. „Trag dein Anliegen dem Kapitänsrat vor. Dort werden wir darüber sprechen!“
Der Wilde Aeriggr fletschte die Zähne wie ein Wolf, und ebenso starrte er Wulfgar an. Dann aber nickte er Tjoerk Schädelspalter zu und knurrte: „Ja, das werde ich!“
In der folgenden Nacht erschien Rajin wieder der Weise Liisho im Traum. Wulfgar Wulfgarssohns Ziehsohn lag an seinem üblichen Schlafplatz im Langhaus, in seine Decke gerollt, als das Gesicht des Weißbärtigen vor seinem inneren Auge erschien. Im ersten Moment wollte Rajin den Weisen zur Rede stellen. Warum hatte er sich nicht gemeldet und ihm nicht beigestanden? Rajin hatte sogar daran gezweifelt, ob es Liisho tatsächlich so gut mit ihm meinte, wie er stets behauptete.
„Steh auf, Rajin. Steh auf, sobald in der Nacht der Blutmond im Zenit ist und alles schläft. Ich werde dich wecken, wenn es soweit ist. Dann bewaffne dich gut, nimm dir eine der Riesenschneeratten und wende dich in das Land des ewigen Winters, wo Eis und Gletscher auch zu Mittsommer nicht schmelzen. Großes Unheil ist bereits auf dem Weg zu dir …“
„Dann bin tatsächlich ich es, der das Unheil anzieht?", fragte Rajin in seinem Traum.
„Ja. Also flieh! Und weihe niemanden in deine Pläne ein, denn du würdest unweigerlich das Verderben auf ihn ziehen."
Also stimmte es, was einige Leute in Winterborg vermuteten und er selbst tief in seiner Seele längst ahnte: Das doppelte Unglück, das Winterborg getroffen hatte, war mehr als nur eine üble Laune der Götter.
Im Traum sah Rajin die Gestalt des Weisen Liisho sich abwenden und davongehen.
„Warte!", versuchte Rajin ihn davon abzuhalten, einfach wieder zu verschwinden.
Liisho wandte sich noch einmal halb herum. „Es ist keine Zeit für Fragen und lange
Weitere Kostenlose Bücher