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DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Personen in dem großen Wohnraum nächtigten, der – im Gegensatz zu weniger reich ausgestatteten Kapitänshäusern – immerhin vom Werkstattbereich und den Räucherkammern für das Seemammutfleisch getrennt war.
    Als Rajin einen kurzen Blick in Richtung des Alkovens warf, meldete sich die Stimme Liishos wieder in seinem Kopf.
    „Du kannst weder deinen Ziehvater noch seine Frau einweihen, auch wenn sie dich wie ihr eigenes Kind aufgezogen haben. Und selbiges gilt für deinen Freund Bratlor und für Nya, deren Herz dir, wie ich weiß, sehr zugetan ist. Jedes Wort würde die Gefahr für sie vergrößern …“
    Welche Wahl hatte er schon, als dem Weisen zu glauben? Doch er fühlte auch, dass Liisho die Wahrheit sagte. Er dachte an die Horde der fliegenden Drachen. Ob sie von Reitern gelenkt wurden, hatte Rajin in seinem Traum nicht erkennen können, dazu waren sie zu weit entfernt gewesen. Aber letztlich spielte das auch keine Rolle. Wenn sie sich ähnlich verhielten wie der rote Drache, den er getötet hatte, war das Schlimmste zu befürchten. Es fügte sich alles im Rückblick zu einem gleichermaßen sinnvollen wie grausamen Ganzen zusammen.
    Rajin verließ das Langhaus. Die Tür knarrte ein wenig, und ein Schwall kühler Luft wehte herein. Rajin drehte sich kurz ein letztes Mal um und ließ den Blick über die Schlafenden schweifen. Von den Meisten, die im Haus von Wulfgar Wulfgarssohn nächtigten, war bestenfalls ein Schatten zu sehen. Das Licht des grünen Jademondes fiel durch den Rauchabzug in der Decke. Der rote und recht tief stehende Blutmond hingegen schien durch das einzige Glasfenster des Langhauses. Es war eines der wenigen Glasfenster, die es überhaupt in Winterborg gab. Rajin erinnerte sich noch gut daran, wie Wulfgar es von einer seiner Handelsfahrten aus dem fernen Seeborg mitgebracht hatte. Rajin war damals knapp zehn Jahre gewesen, noch zu jung, um schon zur See zu fahren. Mit großen Ohren hatte er den Erzählungen seines Vaters gelauscht, der davon berichtet hatte, dass in Seeborg schon zahlreiche Kapitänshäuser Fenster aus Glas hätten und nicht mehr mit Alabaster oder Leinen verhängt wurden. Eine halbe Schiffsladung Stockseemammut hatte Wulfgar für das Glasfenster bezahlt, denn die Kunst der Glasherstellung wurde nur im fernen Feuerheim wirklich mit Meisterschaft beherrscht. Die Scheiben gelangten noch immer über Feuerheimer Zwischenhändler nach Norden und gewannen auf diesem Weg natürlich ein Vielfaches an Wert, zumal ein nicht unerheblicher Teil der Ware dabei zu Bruch ging.
    Rajin lächelte. Vielleicht hatte Wulfgar seinerzeit auch leicht übertrieben hinsichtlich der angeblich so vielen Glasfenster in Seeborg. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es auf einem Eiland mit einer so kalten Witterung wie Winterland überhaupt sinnvoll war, Fenster mit Glasscheiben darin zu haben. Immerhin blieben die Läden gut drei Viertel des Jahres geschlossen, damit die kostbare Herdwärme nicht entwich.
    Dennoch hatte es schon wenige Monate später einen zweiten stolzen Besitzer eines Glasfensters in Winterborg gegeben. Kein geringerer als der Wilde Aeriggr hatte sogar gleich zwei Fenster in sein Langhaus eingebaut, um Wulfgar zu übertrumpfen. Allerdings war schon im Winter darauf Wasser in die Fassung des einen Fensters eingedrungen, und als es in der Nacht gefror, war das Glas gesprungen. Die anderen Kapitäne sahen darin ein Zeichen der Götter, die sehr traditionalistisch waren und alles Neumodische ablehnten. So gab es in Winterborg keine weiteren verglasten Fenster mehr, obgleich sie selbst in Witborg, Borghorst und anderen Häfen des nördlichen Seereichs inzwischen keine Seltenheit mehr waren.
    Rajin gab sich einen Ruck. Es war ungewiss, ob und wann er nach Winterborg zurückkehren würde. Er atmete die kühle Nachtluft ein und schloss vorsichtig die Tür.
     
     
    Der Weg zu den Pferchen der Riesenschneeratten führte am Langhaus von Kallfaer Eisenhammer vorbei.
    Rajin dachte an Nya, die er liebte und die seine Gefühle erwiderte, woran weder die von den meisten Seemannen als hässlich empfundene Form seiner Augen noch die ablehnende Haltung ihres Vaters etwas ändern konnte.
    Nicht einmal von ihr konnte er sich verabschieden, ging es ihm bitter durch den Kopf, und er wandte sich in Richtung der Pferche.
    Er bog von der Hauptgasse ab und vernahm plötzlich Schritte. Eine Gestalt hob sich gegen das Licht der Monde ab. Die Umrisse eines Kriegers waren zu erkennen: die konische Form des

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