Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
senkte er das Haupt und legte das rechte Ohr auf das Gestein zu seinen Füßen. „Wir sind hier nicht sicher“, erklärte er.
    „Was macht Euch Sorgen? Die Vergessenen Schatten? Die werden erst nach Einbruch der Dunkelheit ihren schauerlichen Gesang erklingen lassen. Einen Gesang, so grauenvoll, als hätte unser Freundes Erich recht und diese Welt wäre nichts anders als ein Ort, an dem die Seelen der Verdammten gefoltert werden.“ Rajin wandte sich zu dem Ritter um. „Ich habe Euch doch in dieser Hinsicht richtig verstanden, oder?“
    „Das habt Ihr“, bestätigte Erich.
    „Ihr glaubt, der Chor der Vergessenen Schatten würde am Tag schweigen?“, wunderte sich Branagorn, der sich wieder erhoben hatte. Dann zuckte er mit den Schultern. „Nun, wahrscheinlich liegt es daran, dass Eure Ohren so furchtbar unempfindlich sind.“ Und sehr eindringlich sagte er zu Rajin: „Auch wenn Ihr es noch nicht hören könnt, mein Kaiser: Die Vergessenen Schatten empfangen Euch bereits mit ihrem Jammern und Klagen. Allerdings ist es zurzeit noch sehr leise. Und dann …“ Er runzelte die Stirn. „Dann ist da noch etwas. Etwas, das sich uns nähert.“
    Branagorn blickte in Richtung des dichten Dschungels, der sich an die Ruinen der Stadt Qô anschloss und diese teilweise bereits zurückerobert hatte. Einige Augenblicke lang war nur ein Rascheln zu hören, so als würde ein plötzlich aufkommender und sehr kräftiger Wind Zehntausende von Bäumen schütteln. Dann waren die ersten Rufe zu hören.
    Und Schreie.
    Drachen!, durchfuhr es Rajin.
    Nie zuvor hatte er die reptilhaften Ungetüme auf diese Weise schreien gehört – und Wilddrachen schon gar nicht! Dutzende von ihnen tauchten hinter den Baumwipfeln auf, und ein ganzer Schwarm flatterte über die Ruinen hinweg. Ghuurrhaan sandte ihnen ein selbstbewusstes Dröhnen entgegen, aber kein einziger von ihnen reagierte darauf. Sie waren zutiefst erschreckt, flogen in Panik hinaus aufs Meer. Dort teilte sich der Schwarm, formierte sich in kleinere Gruppen, die sich schon nach kurzer Zeit erneut aufspalteten.
    „Eine Fischjagd ist das jedenfalls nicht“, murmelte Rajin.
    „Lauscht doch!“, gebot Branagorn. „Auch Ihr müsstet jetzt die Stimmen der Vergessenen Schatten hören!“
    Tatsächlich konnten auch Rajin und seine übrigen Gefährten nun das Wehklagen und Jammern der geisterhaften Wesen vernehmen, allerdings mischten sich auch jene hasserfüllten, wütenden Schreie darunter, die der junge Kaiser bereits während des Angriffs auf Nangkor gehört hatte, und ihm schauderte.
    „Wahrhaftig, eine Folter für die Ohren ist das!“, äußerte sich Erich von Belden. „Wer sich das eine Weile lang anhören muss, verfällt gewiss dem Wahnsinn.“
    „Ihr habt recht, es ist kaum zu ertragen, wenn die Vergessenen Schatten ihre Stimmen erheben“, bestätigte ihm Branagorn. „In Nangkor waren es nur ein gutes Dutzend, die uns angegriffen haben, aber hier ...“
    „Das müssen Hunderttausende sein!“, stieß Ganjon hervor. „Vielleicht sogar noch mehr.“
    Angeblich war die Insel Qô zu ihren besten Zeiten von fast einer Million Menschen besiedelt gewesen – nicht gerechnet die Minotauren, Dreiarmigen und Angehörigen anderer, kleinerer Völker, die seinerzeit in großer Zahl auf der Insel gelebt hatten.
    Die Wilddrachenherde zerstreute sich über dem Meer. Ihr Verhalten glich einer heillosen Flucht. „Offenbar erschrecken die Vergessenen Schatten selbst diese Bestien“, grummelte Koraxxon.
    „Unterschätz nicht die Sensibilität dieser Kreaturen“, mahnte ihn Branagorn. „Die Schreie der Vergessenen Schatten setzen ihnen arg zu. Von allen Wesen in dieser Welt sind es die Drachen, deren Sinne es an Empfindsamkeit am ehesten mit denen meines Volkes aufnehmen können.“
    „Na, wenn du das sagst, muss einer wie ich, der vergleichsweise blind und taub auf die Welt kam, das wohl akzeptieren“, entgegnete Koraxxon, der sich eine spöttische Bemerkung mal wieder nicht verkneifen konnte.
    Der unheimliche Chor der klagenden Stimmen schwoll unterdessen an. Rajin spürte die immense Kraft, die von diesen düsteren Wesen ausging und die auf ihn geradezu bedrückend wirkte. In Nangkor war er von der Kraft eines einzigen Schattenriesen wie gelähmt gewesen. Es war die schiere Präsenz seine Macht, die ihn auf eine Weise eingeschüchtert hatte, wie es ihm noch nie zuvor widerfahren war, so sehr, dass er wie erstarrt gewesen war.
    Das darf nicht noch einmal geschehen, dachte er,

Weitere Kostenlose Bücher