Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DRACHENERDE - Die Trilogie

DRACHENERDE - Die Trilogie

Titel: DRACHENERDE - Die Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
meinem Fußgelenk erinnert mich jeden Tag daran – ebenso wie jeder Blick zum Nachthimmel, nachdem der Augenmond aufgegangen ist und wie das Gesicht des Todverkünders auf mich herabblickt – mein Beschützer und mein Verderben zugleich. Ein Verdammter bin ich, aber auch ein Gesegneter, denn niemand hat so viel gesehen und erfahren wie ich. Niemand konnte dieses Maß an Weisheit in seiner Seele aufhäufen. Der Gedanke, dass all dies einst die Beute des Axtmannes sein wird, macht mich rasend, wenn ich nur daran denke.
    Aber wer weiß? Vielleicht wird eher der Schneemond auf die Welt fallen und damit das Fünfte Äon und die Geschichte selbst beenden, als dass mich der Schlafbringer zu sich holt. Dann wird ohnehin alles, was je gedacht, je gesagt und je geschrieben wurde, dem Großen Vergessen anheimfallen. Die Priester in der Heiligen Stadt Ezkor glauben, dass der Unsichtbare Gott die Kraft hätte, den langsamen Fall des Schneemondes aufzuhalten. Aber ich fürchte, ich habe inzwischen meinen Glauben verloren.
    Vielleicht liegt es daran, dass ich mich durch meinen Handel einem anderen Gott verschrieben habe. Einem, von dem es in den alten heidnischen Schriften heißt, dass der Tag des Schneemond-Sturzes sein größter Feiertag sein wird, denn dann gäbe es so viele herrenlose Seelen, dass selbst der ungeliebte Traumhenker einige davon bekommen wird!
     
    Aus den Schriften des Weisen Liisho
     
     
     
    Ich werde die Schreie der Sterbenden nie vergessen, die erklangen, als der Usurpator Katagi mit seinen Getreuen den Kaiserpalast überfiel. Ein Teil der Drachenreiter-Samurai hatte sich mit ihm in einer schändlichen Verschwörung verbündet. Die Schreie der Sterbenden mischten sich mit dem Brüllen der Kriegsdrachen, doch der Kampf um den Palast dauerte nicht lange. Ich sah, wie Katagi selbst Kaiser Kojan mit einem Speer durchbohrte und der Kaiserin Minjanée den Kopf abschlug.
    Mir aber entriss man das Kind, das ich auf dem Arm trug, und schlug seinen Kopf gegen eine Marmorsäule, da man annahm, es handele sich um Prinz Rajin. In Wahrheit war es mein eigenes Kind, dessen Geburt es mir ermöglicht hatte, im Palast als Amme zu dienen. Als man den Irrtum erkannte, zahlte man mir eine Entschädigung von drei Silberstücken und verwies mich des Palastes.
    Katagi aber ließ sich am Tag darauf die Drachenkrone aufsetzen und von den Fürsten Drachenias huldigen. Selbst der Legat der Priesterschaft des Unsichtbaren Gottes soll das Haupt vor ihm geneigt haben, und zwei Monate später waren die Straßen und der Hafen Drakors für die Ankunft des Ehrwürdigen Abtes von Ezkor geschmückt, der sich nicht scheute, die Herrschaft des Usurpators zu bestätigen. Und dies, obwohl Katagi so ziemlich gegen alle Gebote des Unsichtbaren Gottes verstoßen hatte.
    Mir aber bleibt nur die schwache Hoffnung, dass eines Tages jemand kommen wird, um Gerechtigkeit zu fordern.
     
    Aus den Erinnerungen der kaiserlichen Amme Payjé
     
     
     
    Das Blut Kaiser Kojans und seiner Gemahlin Minjanée troff noch von der Klinge des Usurpators, als er erfuhr, dass dem Weisen Liisho mit den fünf Prinzen des Kaiserhauses die Flucht aus dem Palast geglückt war. Liishos Drache Ayyaam, von dem man sagte, er sei ein direkter Nachfahre des Urdrachen Yyuum, trug sie in einer Gondel davon.
    Der Usurpator Katagi riss dem toten Kaiser die drei Ringe von den Fingern, die dem Kaiser seit den Zeiten Barajans die Herrschaft über die Drachen sicherten. Doch Liishos Drache Ayyaam war mit den Ringen nicht zu beeinflussen, denn der Weise hatte ihn mit einem Bann belegt.
    Liisho brachte die fünf Prinzen an entlegene Orte, um sie vor den Häschern Katagis zu verbergen.
    Dies waren die Namen der Prinzen: Gajin, Haojin, Jayjin, Tanjin und Rajin.
    Gajin war mit zwölf Jahren der Älteste von ihnen, während Rajin noch ein Säugling war.
    Gajin ließ der Weise Liisho bei einfachen Leuten in jenen Bergen zurück, die das Dach der Welt bilden und in einem Kreis um den Vulkansee angeordnet sind, der das Zentrum des Luftreichs Tajima bildet. Prinz Haojin, ein Junge von zehn Jahren, wurde auf der Burg von Ambor im Zweifjordland versteckt, einer Provinz, die in früherer Zeit einmal dem Seereich angehört hatte. Auf Burg Ambor residierte nämlich Fürst Yetujan, ein Getreuer des wahren Kaisers, der den Jungen als entfernten Verwandten ausgab, der bei ihm zur Ausbildung zum Drachenreiter-Samurai weile. Der achtjährige Prinz Jayjin aber kam zu Waldbauern in Tembien, der östlichsten

Weitere Kostenlose Bücher