Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
achtet“, antwortete er verschmitzt. „Wie sieht es mit den Karten aus? Kannst du da noch was machen?“
„Du hast mehr Glück als Verstand, Jonas“, antwortete sie, stützte ihre Ellbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn auf die gefalteten Finger, um ihn mit ihren getuschten Wimpern von unten herauf anzuklimpern. „Siegbert, der Boss, hat ein Dauerabo. Wenn er sie nicht braucht, kann ich sie freigeben. Interesse?“
„Na, klar. Mein Bruder wird begeistert sein.“
Hans eilte um die Ecke an die Empfangstheke und gesellte sich zu ihnen. „Sie sind fertig“, sagte er. „Kommst du?“ Er hielt inne und betrachtete die Beule kurz. „Was ist das nun?“
„Vollkontakt mit Straßenasphalt“, gab Jonas selbstgefällig zurück. „Wenn man zu blöd zum Laufen ist.“ Er stieß sich vom Tresen ab und steuerte Richtung Konferenzraum. „Kommst du?“
„Werden die Visionen klarer?“ Tuniäir gesellte sich zu Prinz Fäiram, der an der Brüstung seines Balkons stand und sehnsüchtig in die Ferne blickte. Das Land unter ihnen war nach dem Untergang der Sonne in Schatten getaucht. Kleine Lichter flackerten aus den Fenstern der Häuser am Fuße des Königspalastes wie verstreute Sterne empor und zeichneten vereinzelt Wege und Straßen nach, die durch das Gewirr von Bauten führten.
Fäiram schüttelte langsam den Kopf und seufzte leise. „Ich zerbreche mir seit Tagen den Kopf, wie das geschehen konnte, wie ein Mensch an mein Drachenblut gelangt sein konnte. Ich hatte noch nie direkten Kontakt zu den Menschen. Ich hielt mich stets hoch oben am Nachthimmel.“
„Bis auf einmal“, kommentierte Tuniäir wissend.
Fäiram drehte sein Gesicht zu ihm und sah ihn verständnislos an. „Was meinst du?“
„Dein Zusammenstoß mit der Flugmaschine“, erinnerte ihn der andere und verzog seine Mundwinkel zu einem breiten Grinsen, das er einen Moment später sogleich wieder zurücknahm. „Bist du dabei verletzt worden?“
Fäiram schüttelte den Kopf. „Nein … Ich wüsste nicht … Ich glaube nicht …“ Er versuchte zu rekapitulieren, was geschehen war.
Er war wie immer hoch oben am Nachthimmel geflogen, knapp unterhalb der Wolken und hatte das Land unter sich betrachtet, deren Bewohner mit Millionen von Lichtern die Nacht zu vertreiben versuchten. Er hatte den Flug genossen, sich frei und ungezwungen gefühlt, erhaben und losgelöst. Neugierig war er einer grellen Spur von dahin rasenden Lichtern gefolgt, die wenn er sie von vorn betrachtete weiß leuchten, wenn er sich umdrehte, rot wurden. Dabei hatte es sich um die Lichter an den Transportfahrzeugen der Menschen gehandelt. Er war immer wieder fasziniert von der Welt der Menschen und konnte sich an ihnen nicht sattsehen. Ein ums andere Mal hatte er sich gewünscht, landen zu können, um sie näher in Augenschein nehmen zu können – als er unversehens auf etwas geprallt war, das in der Luft geschwebt hatte oder geflogen war.
In seiner Faszination gefangen hatte er es nicht herankommen sehen, geschweige denn überhaupt bemerkt. Wie offenbar das Fluggerät ihn. Seine schwarzen Schuppen ließen ihn stets mit dem Nachthimmel verschmelzen und absorbierten jegliches Ortungsgerät der Menschen. Der Aufprall war heftig gewesen und hatte ihn für einen Moment benommen gemacht. Er war gen Boden getrudelt und hatte es gerade noch geschafft, sich kurz vor dem Aufprall auf dem Boden abzufangen, um sich mittels eines Erkundungsfluges davon zu überzeugen, dass dem Ding, dem er im Weg gewesen war, nichts geschehen war. Er war der trudelnden Flugmaschine in angemessenem Abstand gefolgt und anschließend in sein Land zurückgekehrt, als die Menschen mit Schrecken, jedoch heil aus der Maschine ausgestiegen waren.
Dabei war er ihnen zu keiner Zeit so nahe gekommen, dass sie ihn verletzen oder mit seinem Blut in Kontakt kommen könnten, ganz zu schweigen davon, dass sie ihn sehen oder bemerken konnten. Er fühlte sich nicht verwundet und hatte auch sonst keinen Schaden genommen. Abgesehen von dem Anfall, den er am darauffolgenden Tag nach dem Abendessen gehabt hatte.
„Ich war nicht verletzt“, sagte er daher entschiedener. Die Verletzung in seinem Nacken hatte er sich viel später selbst zugefügt, als ihn der Schmerz derart gepeinigt hatte. Oder war sie vielleicht gar schon vorher dort gewesen?
Das konnte er zum augenblicklichen Zeitpunkt nicht mehr genau sagen, denn ihm war nichts Derartiges aufgefallen. Der Prinz war gar nicht auf die Idee gekommen, sich
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