Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
gestern Abend wegen seines Vaters erzählt?“
Jonas schnaufte genervt. „Können wir das auf später verschieben? Ich muss in die Agentur. Bin eh schon viel zu spät dran.“
„Er war gestern ziemlich aufgelöst.“
„Mama!“, rief Jonas verzweifelt. „Du weißt genau, dass Papa nächstes Wochenende alles andere machen wird, als mit ihm zu einem Fußballspiel zu gehen.“
„Das musst du ihm nicht sagen.“ Sie war mehr als säuerlich.
„Ihm ständig Hoffnungen zu machen, bringt erst recht nichts.“
„Er liebt seinen Vater.“
„Und deswegen wird er mal ganz gehörig auf die Schnauze fallen, wenn ihm nicht bald gesagt wird, dass sein Vater ein Arschloch ist.“
„Jonas!“
„Mama, der Arsch hat dich betrogen“, gab Jonas wütend zurück. „Und du nimmst ihn auch noch in Schutz. Sieh das erst Mal selbst ein. Ich muss jetzt los.“ Er unterbrach die Verbindung, ehe sie noch etwas erwidern konnte, kleidete sich rasch an, rasierte sich dennoch und eilte mit dem tragbaren PC unter dem Arm in die Agentur.
„Verdammt lange zehn Minuten“, bemerkte sein Arbeitskollege Hans mit triefendem Sarkasmus, nach einem Blick auf die Uhr und verzog missmutig das Gesicht. Jonas hatte tatsächlich über fünfundvierzig Minuten gebraucht, vom Weckruf, bis zu seinem Eintreffen in der Agentur.
„Ach du Scheiße!“, stieß Hans erschrocken hervor, als er seinen Kollegen offensichtlich näher in Augenschein genommen hatte und die dicke, blaurote Beule an der Stirn erblickte. „In welche Prügelei bist du denn geraten?“
„'Ne voll peinliche Sache. Darüber reden wir später. Sind die Typen noch im Konferenzraum?“
Hans nickte. „Benny textet sie gerade mit Statistiken voll. Sie werden schon unruhig. Beeile dich.“
Jonas nickte heftig und schalt sich sogleich, dies getan zu haben. Der Schmerz kehrte zurück. Er hoffte, dass er sich in Grenzen hielt, da er in der Eile die Schmerztabletten vergessen hatte.
Die Beule an Jonas' Stirn erregte natürlich pikierte, angewiderte, fragende, wie auch belustigte Gesichter. Als er ohne weiter darauf einzugehen das Licht löschte, den PC anwarf und seine Power-Point-Präsentation ablaufen ließ und kommentierte, war die Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt.
Nach zwei Stunden beinahe ununterbrochenem Reden, verließ Jonas die Konferenz, damit sich die Kunden in Ruhe beraten konnten, und begab sich zum Empfang der Agentur.
„Melli, kannst du mir einen Gefallen tun?“, fragte er die junge Frau hinter der Theke und lächelte sie freundlich an. Sie blickte ihn erst zuckersüß an, zuckte wegen der auffallenden Beule erschrocken zurück, beugte sich jedoch sogleich wieder vor und himmelte ihn breit lächelnd an.
„Für dich alles, Jonas“, flötete sie. Sie beugte sich noch weiter vor, sodass sich ihrem Gegenüber ein ungehinderter, tiefer Ausblick in ihr tief ausgeschnittenes Dekolleté bot.
Jonas räusperte sich, als er ihre ziemlich offensichtliche Absicht erkannte und grinste. „Ich brauche zwei Karten für das Bayern-Spiel am Wochenende. Kannst du was für mich organisieren?“
Sie lächelte breiter. „Welche Plätze?“
„Die Besten natürlich. Für mich und meinen Bruder“, fügte er schnell hinzu, ehe die Frau, die schon lange auf ihn scharf war, auf falsche Gedanken kam.
Erwartungsgemäß enttäuscht verzog sie ihr Gesicht und klimperte bereits mit rot lackierten Nägeln emsig auf die Tastatur ein. „Kommst du zu Lindas Geburtstagsparty am Freitag?“ Sie sah kurz hoch, um sich die Bestätigung anzusehen. „Ich würde mich freuen.“
Jonas erinnerte sich an die persönliche Mail von Linda und wiegte den Kopf leicht hin und her. Nachdem er das letzte Wochenende schon mit seinem Bruder verbracht hatte und sich spontan entschlossen hatte, auch am nächsten Samstag mit ihm zusammen zu sein, wollte er sich den Freitagabend eigentlich freischaufeln. Er wusste jedoch ebenfalls, dass Linda ebenso wie Melli schon lange auf eine solche Gelegenheit warteten. Die beiden Frauen konkurrierten nahezu um seine Gunst. Er war bereits mit beiden aus gewesen, jedoch regte weder die eine noch die andere sein Mojo, wie es Austin Powers süffisant betiteln würde, an.
„Mal sehen“, sagte er trotzdem. Er musste sich auf der Party ja nicht mit den beiden abgeben. Vielleicht gab es noch Alternativen.
Melli schickte einen verstohlenen Blick zu der Beule an seiner Stirn. „Wogegen bist du denn gelaufen?“
„Das passiert, wenn man nicht auf seinen Weg
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