Drachenfedern I - Schicksalhafte Begegnung
noch sein Sohn.
„Wo bist du gewesen?“, wollte er sogleich wissen und kam dem jungen Prinzen ein paar weitere Schritte näher. „Ich hörte, du hattest in der Menschenwelt einen unglücklichen Zwischenfall.“
Fäiram lächelte freundlich, ließ sich von seinem Vater kurz in den Arm ziehen und abtasten und blickte ihm besänftigend in die Augen. „Es war nicht mehr als das – ein unglücklicher Zwischenfall.“ Gleichzeitig rasten zahlreiche Fragen durch seinen Kopf. Woher konnte sein Vater das wissen? Er war allein unterwegs gewesen, ohne Begleitung und hatte niemandem von seinem Ausflug oder von seinem Erlebnis berichtet. Beinahe im selben Moment, als sein Blick flüchtig über die anderen Anwesenden glitt und dabei eine ganz bestimmte Person entdeckte, kannte er die Antwort bereits.
„Was ist geschehen?“ Der König strich besorgt über die frischen Kratzer im hübschen Gesicht des jungen Mannes und blickte ihm tief in die dunklen Augen.
Fäiram wischte sich die langen, schwarzen Haare, die ihm stets offen über die Schulter fielen, mit einer beiläufigen Bewegung aus dem Gesicht und legte eine Hand auf die seines Vaters. „Es war mein Fehler. Ich habe mich zu sehr verloren und dabei nicht auf den Flugverkehr geachtet. Es war lediglich ein harmloser Zusammenstoß mit einer kleinen Flugmaschine der Menschen. Es kamen keine Menschen zu Schaden – wenn Euch das beruhigt.“
„Es ist immer beunruhigend, wenn du dich auf Exkursion in die Menschenwelt begibst“, entgegnete der Vater nicht ohne Besorgnis. „Die Menschen sind gefährlich. Sie haben ganze Generationen von uns ausgelöscht.“
Fäiram lachte kurz auf, eher um die Situation etwas aufzulockern, als um sich über diese Bemerkung lustig zu machen. Die Augen und Ohren der anderen Gäste waren auf sie beide geheftet und würden jede noch so kleine Sensation als brodelnde Gerüchteküche durch das ganze Land schwappen lassen. Beinahe der gesamte enge Stab seines Vaters war versammelt, alle die etwaigen Neuigkeiten rascher nach draußen in den hintersten Winkel von Häälröm tragen konnten, als er zu rennen vermochte.
„Die Zeiten in der Menschenwelt haben sich geändert“, gab er optimistisch zurück. „Die Zeiten, in denen sie uns mit Pfeil und Bogen, mit Schwert, Schild, Armbrust und gar Katapulten verfolgten, sind längst vorbei.“ Er nahm seinen Vater während seiner Rede am Arm und geleitete ihn zu seinem Platz zurück. „Die Menschen erinnern sich kaum noch an uns. Für sie sind wir Wesen aus längst vergessenen Legenden.“ Er schob den Stuhl behutsam in die Knie seines Vaters, als sich dieser setzte.
„Die Welt mag sich geändert haben“, meldete sich einer der Gäste zu Wort. Jene Person, deren Augenmerk ihn bereits vorhin wie magisch angezogen hatte. „Verzeiht mir, wenn ich mich einmische.“ Ein hochgewachsener Mann mit dunkelvioletter, juwelenbesetzter Robe, listigen, schwarz-violetten Augen, einem länglich, schmalem Gesicht und blassen, dünnen Lippen beugte sich leicht vor und erregte damit die Aufmerksamkeit aller. „Die Waffen der Menschen haben sich ebenso geändert. Sie nennen sie inzwischen Pistolen, Gewehre, Raketen und Panzer. Die Waffen sind wesentlich effektiver und um ein Vielfaches gefährlicher geworden. Es ist blanker Leichtsinn, sich wieder in die Menschenwelt zu wagen.“
„Cousin Shagäiros“, erkannte Fäiram den Mann und nickte ihm erhaben zu. „Ihr seid erstaunlich gut informiert. Lasst Ihr Euch immer noch von Euren Lakaien unterrichten, die in Gestalt von Krähen die Welt der Menschen durchstreifen?“ Fäiram schalt sich, sich der Zuversicht hingegeben zu haben, dass sein Tun niemanden interessierte. Er hätte es eigentlich besser wissen müssen, denn wenn er in der Menschenwelt weilte, glaubte er hin und wieder beobachtet zu werden und traf nicht minder selten auf eine Schar von Krähen, die ihn neugierig musterten. Wie hatte er da nur annehmen können, dass sein Unglück mit dem Fluggerät der Menschen unentdeckt blieb.
„Ich bin lediglich um die Sicherheit von Häälröm besorgt. Alles, was dazu dient, unsere Welt und die darin lebenden Wesen zu schützen ist es wert.“
„Die Menschen kommen nicht in unsere Welt“, wusste Fäiram lächelnd und setzte sich auf seinen Platz, zur Linken seines Vaters, schräg gegenüber seines Cousins. Zur Rechten des Königs, neben Shagäiros, saß seine Mutter Minäira, die das Gespräch ebenso aufmerksam und besorgt verfolgte, wie alle anderen
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