Drachenflamme: Roman (German Edition)
und am Abend brachten sie ihre Ausbeute an Land, wo sie gezählt und zur Weiterverarbeitung vorbereitet wurde. Riesige Bottiche mit brodelndem Seewasser hingen über Feuerstellen, und, nachdem er gekocht worden war, wurde der Trepang wieder herausgefischt und in riesigen, dunklen Reihen auf Rahmen aufgehängt, damit er in der sengenden Hitze trocknen konnte.
Neben diesen frischen Fängen brachten die Taucher hin und wieder auch Perlen mit herauf. Darüber hinaus verfügten die eingeborenen Stammesangehörigen noch über Vorräte an Opalen und über große Mengen von getrockneten Gewürzen, die sie gegen die chinesischen Waren eintauschten. Der Markt, der sich hier auftat, mochte nach wie vor klein sein, was aber nur daran lag, dass er noch so neu und der Hafen in seiner Größe begrenzt war. Doch der Handel nahm mit bemerkenswerter Geschwindigkeit Gestalt an.
Jia hatte ihnen den gesamten südlichen Flügel des Gebäudes zur Verfügung gestellt. Das reichte zwar angesichts der Größe ihrer Gruppe nicht aus, doch die Unteroffiziere und die Strafgefangenen stellten leichte Zelte auf der unbebauten Fläche hinter dem Haus auf, sodass alle untergebracht werden konnten. Das Gebäude war in leichter und fremdartiger Bauweise errichtet, die gut zu dem feuchten und tropischen Klima passte, denn diese ließ es zu, dass der Wind kühl durch die dünnen Wände streichen konnte.
Die Männer hatten es verständlicherweise keinesfalls eilig, wieder abzureisen. Vier von ihnen waren krank geworden, und Laurence selbst fühlte sich seltsam ermattet. Die Müdigkeit und der abgelegene Ort wirkten sich lähmend auf jeden Handlungseifer aus, der eigentlich mit einer so dringlichen und außergewöhnlichen Entdeckung einhergehen sollte. Ihre Rückreise würde mit großer Wahrscheinlichkeit weitere zwei Monate verschlingen. Die Nachricht, die sie dann versenden würden, dürfte noch einmal mindestens sechs Monate brauchen, um irgendeine verantwortliche Stelle zu erreichen, die dann handeln könnte. Ein untätiger Tag mehr oder weniger war völlig ohne Bedeutung, wenn man ihn gegen solche Spannen verlorener Zeit aufwog. Er erschien sogar fast unvermeidlich, da sie so unvermittelt von der Notwendigkeit oder auch der Gelegenheit entbunden waren, für sich selbst zu sorgen. Doch dann folgte ein Tag auf den anderen und ergab mit einem Mal eine Woche. Als sie sich gerade dazu durchgerungen hatten, ihre Abreise voranzutreiben, machte Jia all ihren Plänen einen Strich durch die Rechnung. Er lud sie formvollendet zu einem Bankett ein, das in einer Woche in der Nacht des Neumondes stattfinden sollte.
Die Einladung konnte nicht abgelehnt werden, nachdem sich ihre Gastgeber so großzügig gezeigt und sie selber eine derartige Faulheit an den Tag gelegt hatten. Laurence wäre es wie der Gipfel von Unhöflichkeit vorgekommen, wenn sie es nun plötzlich für nötig halten würden, noch vor dieser Feierlichkeit aufzubrechen. »Ich sehe
nicht im Geringsten ein, wie es stattdessen passender sein sollte, an irgendeinem barbarischen Fest teilzunehmen«, zeterte Rankin. »Vor allem, wenn man bedenkt, dass es von den hier unberechtigt agierenden Vertretern einer fremden Macht veranstaltet wird, die sich nur zu bald mit unserer Regierung überwerfen wird und die unseren Handel untergräbt.« Mit kühlem, aber beißendem Spott fuhr er fort: »Aber wenn Sie darauf bestehen, werden wir natürlich noch bleiben. Ich bin mir sicher, Sie werden bei dieser Gelegenheit eine gute Figur abgeben.«
»Wir mögen schäbig und mitgenommen aussehen«, sagte Granby, »aber ich denke, das ist besser, als sich wie ungehobelte Kerle zu benehmen. Außerdem ist mir nicht aufgefallen, dass Sie es abgelehnt hätten, wenn man Ihnen eine Abendmahlzeit angeboten oder Ihrem Drachen einen Thunfisch mitgebracht hat.«
Als Laurence und Temeraire wieder unter sich waren, sagte Laurence: »Wenigstens wird uns der private Charakter einer solchen Feier die Möglichkeit geben, das Thema ihrer Position hier anzuschneiden und darüber zu sprechen, in welch unschöne Lage sie unsere Nationen damit bringen …«
»Ich verstehe das nicht« sagte Temeraire. »Wir sind so entsetzlich weit gereist, Laurence. Warum muss es denn irgendjemanden in Sydney interessieren, dass die Chinesen hier sind? Und für uns ist es doch sehr angenehm, dass wir wenigstens die Gelegenheit haben, ihnen einen Besuch abzustatten, wenn wir denn schon die Reise auf uns genommen haben. Mr. Jia hat mich bereits sehr
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