Drachenflamme: Roman (German Edition)
freundlich darüber informiert, dass er es für seine Pflicht hält, alle Briefe, die ich vielleicht verschicken möchte, per Express zu befördern. Er sieht keinen Grund dafür, dass Lung Shen Li uns nicht sogar in Sydney besuchen und unsere Briefe ausliefern sollte, wenn wir das wollen. Ich habe ihr unser Tal auf der Karte gezeigt. Sie glaubt, dass es nicht mehr als ein Umweg von einer Woche bedeutet,
wenn sie von Uluru aus startet, sodass sie es hin und wieder einrichten könnte.«
»Uluru?«, fragte Laurence.
»Der große Felsen«, erläuterte Temeraire, »an dem wir sie zum ersten Mal gesehen haben. Dort beliefern sie die Pitjantjajara, die die Waren dann weiter an die anderen Stämme schicken. Von oben ist er leicht zu erkennen. Ich schätze, dass sie auch selbst einige Güter nach Sydney bringen kann«, fügte er hinzu, was die englische Regierung wohl kaum gerne gehört hätte.
Laurence war entschlossen, einen Versuch zu wagen. Dieser Außenposten war noch neu genug und der Markt so klein, dass es noch kein fest etabliertes Unternehmen war. Vielleicht könnte man eine Übereinkunft treffen oder einen Kompromiss finden, wenn Laurence das Ziel dieser Siedlung erst besser verstanden hätte. Plötzlich stieg eine vage Hoffnung in ihm auf. Wenn Jia Laurence’ Briefe weiterleiten würde, dann könnte er auch an Charles Hammond schreiben, den in Peking ansässigen Botschafter, der einst den Vertrag ausgehandelt hatte, demzufolge Temeraire in englischer Hand bleiben durfte und der ihnen gewisse Vorteile in dem einzigen offenen Hafen von Kanton verschafft hatte.
»Bestimmt können wir uns nicht darauf verlassen, dass die Briefe sicher und ungelesen befördert werden«, sagte Laurence, »aber wenigstens würde es nicht ein gutes Jahr dauern, bis sie ankommen. Und ich traue es Hammond zu, die Situation besser als wir einschätzen zu können.«
»Also auch besser als Whitehall«, bekräftigte Granby und warf einen Blick zu Tharkay hinüber. »Es sei denn, du weißt mehr als wir.«
Tharkay zuckte unbeteiligt die Schultern.
Unterdessen suchte Laurence fieberhaft nach einem Ansatz, einem Anknüpfungspunkt, der nicht so entsetzlich plump wäre. Was die Angelegenheit komplizierter machte, war die Tatsache, dass er
sich auf Temeraires Übersetzungskünste würde verlassen müssen, da sein eigenes Chinesisch mehr als dürftig und noch dazu halb vergessen war. Sicherlich würde es eine unangenehme Situation werden, und sie musste beinahe wie eine Drohung oder zumindest eine Einmischung erscheinen. Laurence war sich beinahe sicher, dass sein Verhalten unangebracht wirken würde und dazu auch noch Gentlemen gegenüber, die als Gastgeber ihre Verärgerung nicht würden zeigen können. Für ihn selbst würde ein solches Verhalten den schlimmsten Schnitzer darstellen, den er sich nur denken konnte. Doch in gewisser Weise fühlte er sich beiden Seiten gegenüber verpflichtet, was den Versuch, eine Einigung herbeizuführen, zwingend erforderlich machte. Wie ungeeignet er für diese Aufgabe auch sein mochte – wenigstens waren er und Temeraire hier vor Ort, und ein besserer Vermittler war nicht zu finden.
Mit Sicherheit würde die Regierung dieses Untergraben des englischen Handels beendet wissen wollen, falls die Einrichtung dieses Hafens nicht schon als Kolonialisierungsbestrebung gewertet werden würde. Allerdings schienen die Chinesen weniger daran interessiert, das Gebiet zu besiedeln, als vielmehr daran, Beziehungen zu den Eingeborenenstämmen aufzubauen und von der Erweiterung ihres Handels zu profitieren. Chinas militärische Stärke lag in der Luftmacht, aber ein einziger leichtgewichtiger Drache – oder auch vier, wenn all die anderen aus Lung Shen Lis Züchtung schlüpfen und überleben würden – konnte der englischen Marine und modernen Waffen, wenn sie denn gegen sie verwendet würden, nichts entgegensetzen.
Doch alle Sorgen, die sich Laurence machte, und seine ganzen Pläne wurden schon am nächsten Tag über den Haufen geworfen. Mit der Flut kam eine kleine Flottille in den Hafen. Weitere macassische Praus mit ihren schlanken, dünnen Kanus liefen ein. Doch diese brachten nur große Berge von reifen Tropenfrüchten und geschnitzte Holzgefäße, die am Ufer vorsichtig ausgeladen und zu den
anderen Gütern gebracht wurden, die bereits verstaut worden waren. Mehrere Männer, die anscheinend die Würdenträger dieser Gruppe waren, wurden förmlich am Ufer begrüßt und in die anderen Zimmer des Hauses
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