Drachenflamme: Roman (German Edition)
er selbst auch dabei zusehen konnte – überreichte. »Bitte zieh sie doch gleich an, Laurence«, drängte Temeraire, der sich nicht mehr zurückhalten konnte, als Laurence das edle Kleidungsstück über beide Arme hielt und genau in Augenschein nahm. »Vielleicht passt sie ja nicht richtig. Bis heute Abend ist immer noch genügend Zeit, um etwas an der Größe und dem Sitz zu verändern.«
Temeraires Sorgen waren unnötig, denn die Robe passte ohne jede Änderung, und Laurence sagte: »Mein Lieber, ich bin mir bewusst, wie viel Arbeit da drinsteckt und wie viel Überlegungen eingeflossen sind …« Er brach ab.
Temeraire seufzte tief befriedigt. »Ach, Laurence, das ist doch nichts, was du nicht schon immer hättest haben sollen, und ich bin so froh! Seitdem ich erfahren habe, dass du dein Vermögen verloren hast, hat es mir keine Ruhe mehr gelassen. Aber ich bin mir sicher, dass jeder lieber eine solche Robe hätte als Geld auf der Bank. Man könnte wohl kaum irgendwo etwas Schöneres kaufen.«
Vorsichtig deutete Laurence an: »Und du bist dir auch ganz sicher … dass das dem Anlass entsprechend ist? … Ist es nicht vielleicht ein bisschen … extravagant?«
»Aber nein, wie könnte es denn sein?«, fragte Temeraire. »Jia Zhen hat doch selber den Vorschlag gemacht, und überhaupt, Laurence: Du bist schließlich der Sohn des Kaisers. Es ist nur angemessen, wenn du am prachtvollsten gekleidet bist.«
»Ach du meine Güte«, sagte Granby. »Na ja, Laurence, du kannst mich einen Esel nennen, aber wenigstens bin ich ein ehrlicher Esel: Ich werde kein Wort mehr über meine goldenen Knöpfe und Seidenmäntel verlieren und mich glücklich schätzen.« Dann fügte er, vielleicht als Trost, hinzu: »Aber du siehst wenigstens nicht lächerlich aus. Vielleicht so, als könntest du jeden Augenblick Herunter mit ihren Köpfen schreien, aber nicht lächerlich.«
»Na, vielen Dank«, antwortete Laurence ernüchtert. Auf jeden Fall fühlte er sich lächerlich genug. Darüber hinaus kam es ihm so empörend falsch vor, der Erscheinung eines orientalischen Monarchen nachzueifern und – diesen Anschein musste es haben – sich eine Position anzumaßen, welche die seine eigentlich weit überstieg und die ihm vollkommen fremd war.
Und er konnte nicht einmal etwas sagen. Selbst wenn es nicht schon angesichts Temeraires unverhohlener Freude undenkbar gewesen wäre, dann hätte es ihm die Höflichkeit gegenüber seinem Gastgeber verboten, wo man doch so viel Mühe auf die Herstellung dieses Kleidungsstückes verwendet hatte, keinerlei Kosten gescheut
worden waren und man es ihm noch dazu so feierlich überreicht hatte. Doch Laurence war sich sicher, dass er die Robe nicht richtig angelegt hatte, und er war keineswegs überzeugt davon, dass er nicht in den Augen seiner englischen Begleiter und mit noch viel größerer Sicherheit in denen seiner Gastgeber, die es besser wussten, vollkommen albern aussehen musste. Er hoffte nur inständig, dass das Kleidungsstück nicht während des Essens herunterrutschen würde. Sollte dieser entsetzliche Fall tatsächlich eintreten, so konnte er sich der Aufmerksamkeit aller Versammelten gewiss sein, denn zu seinem Verdruss hatte er inzwischen erfahren, dass er neben Temeraire am Kopfende der Tafel sitzen würde.
Die Tische waren im großen, weitläufigen Hof des Hauses aufgestellt worden. Für die Diener war es recht eng dort, denn sie mussten um die fünf Drachen herumlaufen, die allesamt willkommene Gäste waren. Doch auch wenn die holländischen und portugiesischen Seeleute ein wenig ängstlich auf ihre großen Tischnachbarn mit den beeindruckenden Zähnen schielten, protestierte niemand laut. Caesar hatte so lange auf Rankin eingeredet, bis der schließlich nachgegeben und sich der Gruppe angeschlossen hatte. »Wenn dort so viele ausländische Gäste anwesend sind«, hatte Caesar gesagt, »dann würde es einen sehr sonderbaren Eindruck machen, wenn der Dienstälteste, ja der offizielle Repräsentant der Regierung Seiner Majestät, selbst fehlen würde. Vielleicht würde das auch einen ganz falschen Eindruck bezüglich der Autorität derjenigen Repräsentanten hervorrufen, die zweifelsohne mit am Tisch sitzen werden.«
Laurence hätte mit Freuden auf jeden Anschein einer Autorität, die er überhaupt nicht besaß, verzichtet. Stattdessen aber war er gezwungen, sich auf einer großen und erhöht stehenden Bank niederzulassen, von der er den Verdacht hatte, sie könnte der
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