Drachenflamme: Roman (German Edition)
ich werde Sie heute nicht weiter ermüden. Würden Sie mir die Freundlichkeit erweisen, mich morgen früh in der Kaserne aufzusuchen?«
»Verzeihen Sie mir«, antwortete Laurence trocken, »aber ich bin augenblicklich nicht in der Stimmung, dieser Umgebung einen Besuch
abzustatten, auch wenn ich die Liebenswürdigkeit dieses Angebotes zur Kenntnis nehme.«
»Dann darf ich Sie vielleicht ein weiteres Mal beehren?«, schlug MacArthur vor und presste die Lippen zusammen, und bei diesem Vorschlag konnte Laurence nur noch nicken.
»Ich freue mich nicht auf den Besuch«, sagte Laurence, »aber wenn er kommt, sollten wir ihn auch empfangen.«
»Solange er nicht beleidigend wird und nicht versucht, dich in einen Steinbruch zu stecken, kann er kommen, wenn er gerne möchte«, erwiderte Temeraire großmütig. Allerdings handelte es sich dabei um ein Zugeständnis, während er im Stillen entschlossen war, diese MacArthur-Person gut im Auge zu behalten. Er für seinen Teil sah überhaupt keinen Grund, warum man jemandem gegenüber höflich sein sollte, der diesen Ort so erbärmlich führte und mit so vielen Menschen Kontakt pflegte, die sich schlecht benahmen. Gouverneur Bligh mochte ebenfalls kein angenehmer Mensch sein, aber wenigstens schien er es nicht für die natürlichste Sache der Welt zu halten, dass Leute auf offener Straße bei mysteriösen Unfällen niedergeschlagen werden.
MacArthur besuchte sie tatsächlich, kurz nachdem sie gefrühstückt hatten. Er kam auf dem Weg zum Felsvorsprung herauf nur langsam voran. Laurence hatte ihn noch nicht gesehen, aber Temeraire hatte zur Stadt hinuntergeschielt, wo gerade sechzehn Schafe – sechzehn äußerst schmackhaft aussehende Schafe – in einen Pferch getrieben wurden. So beobachtete er, wie MacArthur stehen blieb; er sah aus, als ob er gleich wieder umkehren wollte.
Temeraire hätte ihn das ohne Weiteres tun lassen und einen angenehmen Morgen mit Lesen verbringen können, aber ihm hatte sein Mahl nicht geschmeckt, und er war in zänkischer Laune, weshalb er lauthals rief: »Ich finde es sehr unhöflich, jemanden in seiner Wohnstatt
aufzusuchen, nur um ihn anzustarren, bleich zu werden und wieder zu verschwinden, als wäre etwas an ihm seltsam und nicht am eigenen absurden Verhalten. Ich verstehe nicht, warum Sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, den Hügel hinaufzusteigen, wenn Sie ein solcher Angsthase sind. Es ist ja nicht so, dass Sie nicht gewusst haben, dass ich hier bin.«
»Nun, ich halte Sie für ziemlich unverschämt«, polterte MacArthur, dessen Hals sich rot verfärbt hatte. »Was bilden Sie sich ein, mich einen Angsthasen zu nennen, nur weil ich zu Atem kommen muss?«
»Was für ein Unsinn«, höhnte Temeraire. »Sie hatten Angst.«
»Ich behaupte ja nicht, dass es einem Mann nicht zustehen würde, einen Moment lang erschrocken zu sein, wenn er sieht, dass er von einem Tier in der Größe einer Fregatte erwartet wird, das ihn wahrscheinlich verspeisen will«, sagte MacArthur, »aber ich will verflucht sein, wenn ich mich davon abhalten ließe. Sie sehen mich ja wohl nicht weglaufen, oder?«
»Mir munden keine Menschen«, begehrte Temeraire auf, »und Sie müssen auch nicht beleidigend werden, nur weil Sie kein Benehmen haben.« In diesem Augenblick kam Laurence dazu und sagte trocken: »Na, du hast es nötig.«
Er fügte hinzu: »Bitte kommen Sie, und setzen Sie sich, Mr. MacArthur. Ich bedaure, dass ich Ihnen nichts Besseres als Kaffee und Schokolade anbieten kann, und ich muss Ihnen leider vom Kaffee abraten.« Bedauernd begriff Temeraire, dass er die Chance verpasst hatte, den unliebsamen Besucher loszuwerden.
Immer wieder drehte MacArthur den Kopf, um Temeraire zu beäugen, und bemerkte: »Von unten sieht ein Drache gar nicht so groß aus«, während er seine Schokolade so lange umrührte, dass sie schon längst kalt geworden sein musste. Temeraire mochte Schokolade sehr gerne, konnte sie aber ebenso wenig genießen wie die leckeren Schafe, die er entdeckt hatte, jedenfalls nicht in ausreichender
Menge, ohne genug Milch und bei den hohen Kosten. Es lohnte sich nicht, nur einen winzigen Vorgeschmack zu bekommen, der die unstillbare Sehnsucht nach mehr wecken würde. Er seufzte.
»Ganz schön beeindruckend«, wiederholte MacArthur, der den Blick wieder zu Temeraire wandern ließ. »Er braucht sicherlich viel Nahrung.«
»Wir schaffen das schon«, antwortete Laurence höflich. »Es gibt ausreichend wild lebende Tiere, die Jäger
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