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Drachenflamme: Roman (German Edition)

Drachenflamme: Roman (German Edition)

Titel: Drachenflamme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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rechts von uns verbergen, ehe wir weiterfliegen.«
    »Ich denke, wir sollten in Kehren fliegen«, sagte Laurence und erklärte ihnen das Muster: Sie sollten den Pfad als Ausgangspunkt ihres Fluges nehmen und zuerst in Zickzacklinien nach Westen, dann nach Norden fliegen, und zwar in Bögen wie die eines kehrenden Besens.
    Unruhig stieß Iskierka Dampf aus ihren Stacheln. »Was glaubst du, wie weit sie es zu den Seiten weg geschafft haben könnten?«,
fragte sie. »Wenn wir hier alles absuchen, werden sie uns vielleicht doch noch entwischen. Es könnte auch sein, dass sie auf Pferden unterwegs sind, wenn sie schon keinen Karren mitgebracht haben.«
     
    Nach kurzer Diskussion einigten sie sich auf eine Entfernung von fünf Meilen in beide Richtungen und begannen mit ihrem Flugmuster in Richtung Norden und Westen.
    Es war ein schwieriger, anstrengender Flug. Jedes Stückchen hellen Steines, das Temeraire irgendwo entdeckte, ließ sein Herz einen unangenehmen Satz in seiner Brust machen, weil er fürchtete, es könne von der weichen, cremefarbenen, schwarz getupften Schale stammen. So wurde er ständig an ihre quälend drängende Aufgabe erinnert, und außerdem schmerzte sein Kopf davon, dass er unablässig auf den Boden starrte.
    Iskierka, die nicht so viele Männer an Bord hatte, tauchte immer mal wieder ab, wenn sie eine Bewegung ausgemacht zu haben glaubte – und kam jedes Mal nur mit einem Happen Wild zurück: einem armseligen Känguru oder einem der Kasuare mit ihren zähen Beinen. Immerhin teilte sie sich die Beute mit Temeraire, sodass die beiden beim Fliegen essen konnten und keine weitere Zeit vertun mussten. Und, das gestand Temeraire sich ein, sie war sehr gewitzt darin, auch winzige Bewegungen zu erspähen.
    Es war ein wenig tröstlich, auf der Suche nicht ganz allein zu sein. Iskierka war sonst immer eigensinnig und verantwortungslos, und niemand konnte gerne in ihrer Gesellschaft sein. Aber bei dieser einen Gelegenheit, in der sie beide im Geist und im Ziel vereint waren, war ihre Anwesenheit wertvoll für Temeraire. Bei manchen Gelegenheiten – natürlich nur bei ganz wenigen – entdeckte sie sogar etwas, das ihm vorher noch nicht ins Auge gesprungen war.
     
    »Ist das…«, setzte er an, und sofort schoss Iskierka hinab. Da gab es eine Baumgruppe und niedriges Buschwerk, in dem er, wie er
glaubte, eine leichte Bewegung ausgemacht hatte. Iskierka überzog das Gehölz mit einem Feuerstoß, heiß und sengend, der zwar das Gewächs nicht richtig entzündete, aber jeden Feind darin überwältigt hätte. Dann hieb sie die Klauen zwischen die Bäume, riss Schösslinge und Büsche heraus und warf sie achtlos auf einen Haufen. Schließlich schob sie ihren Kopf hinein, suchte herum und streckte die Klauen aus, um alles zu durchforsten, mit den Krallen den Boden zu durchpflügen und dann wieder aufzusteigen. Sie hatte in einer Klaue Erde und einige kleine Nagetiere aufgegriffen, die erstickt waren und kaum mehr als einen winzigen Happen abgaben. Trotzdem verspeisten Temeraire und Iskierka sie roh und ungehäutet. Für Temeraire passte diese Art der Nahrungsaufnahme zu dem Gefühl, jenseits von jedem rationalen Gedanken zu sein. Doch im Augenblick war Nachdenken weder notwendig noch wünschenswert ebenso wenig wie jede Form von Feinfühligkeit. Sie mussten einfach nur fliegen und suchen und ab und an jagen, soweit es fürs Überleben wichtig war. Es tat ihm nicht leid, dass er im Moment auf einen solch animalischen Zustand zurückgeworfen worden war, denn anderenfalls würde nichts als ein neuer Schub von Selbstvorwürfen auf ihn warten.
    Iskierka, so musste er zugeben, hatte ihm nicht die Schuld gegeben. Sie hätte etwas in der Art fragen können wie: »Was hast du dir denn dabei gedacht, die Eier unbewacht herumliegen zu lassen?« Oder sie hätte ihn tadeln können, weil er geschlafen oder weil er so tief geschlafen hatte, dass irgendjemand das Ei heimlich hatte entwenden können. Aber das hatte sie nicht getan. Natürlich hätte Temeraire mit der gleichen Anklage antworten können, aber er hatte die Eier den ganzen, langen Weg von England hierher unter seinen Fittichen gehabt; Iskierka war nicht in gleichem Maße dafür verantwortlich gewesen, sich um sie zu kümmern. Er hatte es nicht zulassen wollen. Doch wenn er das getan hätte, das musste er sich niedergeschlagen eingestehen, dann wäre sie vielleicht wirklich aufmerksamer
und wachsamer gewesen; vielleicht hätte sie sich das Ei nicht stehlen

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